Südafrikaner fordern: Ausländer raus!

Der Staat am Kap ist mit Abstand der reichste der Region. Seit dem Ende der Apartheid zieht er Hundertausende Immigranten an. Die meisten von ihnen bleiben illegal  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

„Rein persönlich“ kann Moses Nthuli seinen Nachbarn gut leiden. Jeden Morgen, wenn die beiden Männer ihre kleinen Stände in der Innenstadt von Johannesburg aufbauen, plaudern sie erst einmal zehn Minuten. Die Verständigung wird langsam einfacher, denn Domingos Eduardo Matola lernt eifrig Englisch. Bloß wenn es zum Geschäftlichen kommt, wird Nthuli plötzlich giftig. „Die ruinieren uns. Raus mit ihnen, sofort.“

Nthulis „Geschäft“ ist ein kleiner Gemüsestand am Straßenrand. Er ist einer von Hunderttausenden, die sich im sogenannten sekundären Sektor ihr Geld verdienen. Eine Lizenz hat er nicht. Weil in Südafrika immer noch jeder zweite arbeitslos ist, drücken Regierung und Stadtverwaltung bei den „hawkern“ beide Augen zu, solange sie Südafrikaner sind. Anders verhält man sich bei Leuten wie Matola. Er hat auch keine Lizenz und würde sie auch nicht bekommen, denn er ist illegal in Südafrika. Erwischt man den Mosambikaner, droht ihm der Rauswurf.

Zwischen zwei und vier Millionen illegale Immigranten halten sich derzeit in Südafrika auf. Die meisten von ihnen kommen aus den Nachbarländern Mosambik und Simbabwe. Doch auf den Straßen von Johannesburg wird auch immer öfters Französisch gesprochen. Armutsflüchtlinge aus Zentral- und Westafrika lockt der Reichtum der Kaprepublik noch stärker, seitdem sie demokratisch geworden ist und Nelson Mandela auf dem ganzen Kontinent als Idol verehrt wird.

Mandela und sein mutmaßlicher Nachfolger, der heutige Vizepräsident Thabo Mbeki, werden zwar nicht müde, eine „afrikanische Renaissance“ zu beschwören. Teil davon ist, daß Südafrika sich politisch und wirtschaftlich neu positioniert – in Afrika nämlich. Sehr liberal gegenüber den Glücksuchenden aus den armen Nachbarländern ist man dabei allerdings in der Praxis nicht.

Einer Umfrage der Menschenrechtskommission von Südafrika zufolge ist die Mehrzahl aller Südafrikaner fremdenfeindlich. 80 Prozent der Befragten befürworten schärfere Maßnahmen der Regierung, um illegale Immigranten loszuwerden. Mit diesen Einstellungen sind sie in guter Gesellschaft, denn das zuständige Innenressort ist ausgerechnet mit dem Scharfmacher der Inkatha-Freiheitspartei, Mangosuthu Buthelezi, besetzt. Der ehemalige Homeland-Potentat wird nicht müde, mit vollkommen unseriösen Zahlen das Flüchtlingsproblem weiter zu dramatisieren. „Wenn alle Illegalen ausgewiesen werden, sind wir näher an einer Lösung des Arbeitslosenproblems“, sagte der Minister jüngst auf einer Tagung.

Auch der vom ANC dominierte Teil der Regierung tut sich schwer mit einer politischen Lösung des Problems. Derzeit wird sogar erwogen, einen noch in der Apartheid-Zeit errichteten Grenzzaun im Norden Südafrikas wieder unter tödlichen Strom zu setzen, um den Weg über die grüne Grenze abzuschneiden. Gleichzeitig arbeitet sie an Kooperationsverträgen mit einzelnen Nachbarländern, in denen es teilweise um milliardenschwere Investitionen geht. Jüngstes Beispiel ist der sogenannte Maputo-Korridor, der das industrielle Kernland Südafrikas mit dem Hafen der mosambikanischen Hauptstadt verbinden soll. Ähnlich wie die Bundesregierung bei den ehemaligen Ostblockstaaten hofft man, durch einen Aufbau von Infrastruktrur und die Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort langfristig dafür zu sorgen, daß die Flüchtlinge zu Hause bleiben.

Auf lange Sicht strebt Südafrika für die „Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika“ (SADC), der insgesamt zwölf Staaten angehören, einen politisch und ökonomisch starken Block nach Vorbild der EU an. Bis zum Jahr 2004 soll innerhalb der SADC eine Freihandelszone eingerichtet werden. Bis dahin allerdings ist es noch ein weiter Weg, zumal die Beziehungen zu den Nachbarländern nicht ungetrübt gut sind.

Erst vor knapp drei Jahren wurde Südafrika Mitglied des Bündnisses, dessen Zielsetzung sich damit grundlegend änderte. Mitglieder sind heute außerdem Lesotho, Swasiland, Mosambik, Tansania, Simbabwe, Malawi, Sambia, Botswana, Angola, Namibia und der Inselstaat Mauritius. Ursprünglich diente der Zusammenschluß dazu, sich wirtschaftlich unabhängig vom Apartheid- Staat zu machen. Jetzt steht und fällt der Erfolg der regionalen Integration mit der Entwicklung am südlichen Ende des Kontinents.

Mehr als 40 Millionen der 130 Millionen Menschen in der Region leben in Südafrika. Dessen Wirtschaftskraft ist mit weitem Abstand die größte südlich der Sahara. Mehr als 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der SADC werden am Kap erwirtschaftet. Niemand bestreitet heute in der Region, daß deren Konsolidierung von Südafrika abhängt. Das aber schafft Neid und Mißtrauen. Noch immer schützt Südafrika den eigenen Markt durch hohe Einfuhrzölle, gleichzeitig exportiert es massiv in die Nachbarländer.

Doch die politischen und wirtschaftlichen Interessen des Giganten am Kap in Afrika reichen noch weiter, warten dort doch riesige Märkte und Bodenschätze. Unlängst war eine hochkarätig besetzte Delegation in Kinshasa, um sich über Möglichkeiten der Aufbauhilfe für Laurent Kabila zu informieren. Nur aus politischer Sympathie handeln die Südafrikaner auch hier nicht. Denn im Rennen um Konzessionen für Schürfrechte unter den neuen Machthabern haben die südafrikanischen Bergbaukonzerne verloren.