Onkel Hos Enkel bitten zu den Urnen

Die VietnamesInnen durften eine neue Nationalversammlung wählen. Die KandidatInnen sind handverlesen, das Gremium ist machtlos, die Wahlbeteilung realsozialistisch hoch  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Zufriedene Gesichter in Hanoi: Über 90 Prozent der VietnamesInnen beteiligten sich an den Wahlen zur Nationalversammlung. Mindestens zwei Provinzen im Süden konnten sogar 99 Prozent vermelden. Rund 40 Millionen VietnamesInnen waren am Sonntag aufgerufen, ihre Stimme für das neue 450köpfige Parlament abzugeben, das alle fünf Jahre neu bestimmt wird. Die Auszählung dauerte gestern noch an.

Aufmunternde Parolen aus Lautsprechern, rote Fahnen und Porträts des Helden der nationalen Unabhängigkeit, Ho Chi Minh, wiesen im ganzen Land den Weg zu den Wahllokalen. Die Nationalversammlung tritt zweimal jährlich für einen Monat zusammen. Das nächste Treffen soll im September stattfinden. Das Gremium ist weitgehend machtlos, darf aber über die Regierungspolitik debattieren. In einem sorgfältig kontrollierten Auswahlverfahren waren in den letzten Wochen 663 Kandidaten nominiert worden: Achtzig Prozent hatten das Parteibuch der Kommunisten, der Rest stammte überwiegend aus der „Vaterländischen Front“, in der Jugend-, Frauen- und Gewerkschaftsverbände vertreten sind. 202 Frauen standen auf der Liste – entsprechend der offiziellen Frauenquote von 30 Prozent der Abgeordneten. Nur 11 Unabhängige bewarben sich.

„In unserer Demokratie gibt es nur eine Partei, aber vielfältige Organisationen“, sagte KP-Chef Do Muoi zum Wahlauftakt. Trotz strenger Ermahnungen der Regierung, „positiv“ über die Wahlen zu schreiben, wagten einige Publikationen Kritik. Die Zeitung Lao Dong („Arbeit“) berichtete sogar über Manipulationen: Im Wahlkreis des KP-Chefs zum Beispiel hätten Beamte die BürgerInnen angewiesen, welche Namen sie ankreuzen müßten.

Zunächst werden die Abgeordneten einen neuen Staatspräsidenten und Premierminister wählen. Die derzeitigen Amtsinhaber, der 76jährige Le Duc Anh und der 74jährige Vo Van Kiet, haben nicht mehr kandidiert. Beide bilden gemeinsam mit KP-Chef Do Muoi die dreiköpfige „kollektive Führung“ Vietnams. In Hanoi gilt es als sicher, daß auch der 80jährige Do Muoi bald ersetzt wird. Wichtiger als die Nationalversammlung wird deshalb das nächste Treffen des 168köpfigen KP-Zentralkomitees Ende August oder Anfang September: Seine Mitglieder entscheiden, wer an die Stelle der drei alten Männer tritt.

Als Favorit für das Amt des Staatschefs gilt Außenminister Nguyen Manh Cam. Regierungschef könnte Phan Van Khai werden, bislang Vizepremier und früher Bürgermeister und Parteichef in Ho-Chi-Minh-Stadt. Als KP- Chef ist der Drei-Sterne-General Le Kha Phieu im Gespräch, Chefideologe der Armee. Sein Nachteil ist allerding sein für vietnamesische Verhältnisse geradezu jugendliches Alter: Er ist erst 64. Eines haben alle Kandidaten gemeinsam: An demokratische Reformen denkt keiner von ihnen.