Es geht auch anders

■ Paris: Wer Profite macht, der zahlt mehr Steuern

Das Problem – ein tiefes Loch im Staatshaushalt – war bekannt. Über die Antwort darauf rätselte Frankreich seit der überraschenden Wahl einer rot-rosa-grünen Regierung. Die Gerüchteküche in Paris und in den Hauptstädten der Nachbarländer produzierte düstere Prognosen über Maßnahmen, die „ganz sicher“ Frankreichs Wirtschaft ruinieren würden. Es hieß unter anderem: Die Kapitaleinnahmen würden stark besteuert, die Sozialabgaben würden steigen, und die Körperschaftssteuer würde insgesamt angehoben.

Fast nichts von alldem erwies sich gestern, als Finanzminister Dominique Strauss-Kahn seine finanzpolitischen Pläne bekanntgab, als wahr. Die neue Regierung optiert für eine zusätzliche Besteuerung, die sich auf die Großunternehmen konzentriert und da auch nur auf solche, die Profite machen. Kombinieren will sie diese auf drei Jahre angesetzte Steueranhebung mit Einsparungen bei der Regierung – vor allem im Militärhaushalt.

Damit hat die neue Regierung gezeigt, daß es auch anders geht als mit einer reinen Austeritätspolitik, die das Gürtel-enger-Schnallen für alle zur Voraussetzung zum pünktlichen Eintritt in die Währungsunion macht. Im Gegensatz zu seinem konservativen Vorgänger Alain Juppé beweist Lionel Jospin Feingefühl. Dabei ist die Lage seiner Regierung komplizierter als die ihrer konservativen Vorgängerin. Sie muß nicht nur den Deutschen gefallen, die drei Komma null zum Dogma erhoben haben, sondern auch die Erwartungen eines kommunistischen Koalitionspartners bedienen, der auf gar keinen Fall bei Sozialleistungen sparen will. Der pragmatische – und klassisch-sozialdemokratische – Umgang mit dem Defizit, den Paris vorschlägt, will Europa und die Währungsunion mit der Beschäftigungspolitik vereinigen und zeigt, daß die französische Regierung weiß, daß neben den Arbeitern die Mittelschicht ihre Hauptklientel ist. Da die Höherbesteuerung nur die stärksten Teilnehmer der französischen Wirtschaft trifft, wird der Protest minoritär bleiben. Selbst die Abwanderung von Kapital aus Frankreich wird voraussichtlich gering bleiben, schließlich ist die Maßnahme nur vorübergehend. Und notfalls bleibt den Großunternehmen ja auch noch der Ausweg, lauter kleine und mittlere Betriebe zu gründen – die bleiben schließlich verschont. Dorothea Hahn