Ein ergreifendes Spiel um eine sündhafte Liebe, die zu Mutter- und Kindesmord führt und grausig endet

Theater, Kneipen und ein paar Läden säumen ihn, den Spielbudenplatz auf St. Pauli. Eigentlich ist er kaum als Platz zu erkennen, denn er zieht sich an der Reeperbahn entlang wie eine zweite Straße. Erst am Abend erwacht hier das Leben, dann kommen die Touristen, die Kneipenbummler, und die Damen stehen leicht bekleidet an zugigen Ecken.

Vor 130 Jahren gehörte der Spielbudenplatz noch gar nicht richtig zu Hamburg. Damals gab's hier zum Beispiel sechs Seehunde in Holzbottichen, die der Fischhändler Hagenbeck den staundenden Passanten präsentierte. Ein Geschenk von Fischern, die nicht ahnen konnten, daß Hagenbeck junior später daraus einen weltberühmten Tierpark machen würde.

Ausgerufen wurde die Robben-Attraktion von Eduard Dannenberg, der auch Sonderangebote oder verlorene Hunde anpries. Aber nur tags, denn abends war er Direktor und Schauspieler in seinem „Elysium-Theater“. Hier wurden Volksstücke in Platt gegeben. Über eine besonders gelungene Aufführung berichtet Willi Bredel in seiner Hamburger Chronik „Unter Türmen und Masten“: Irgendwann gelüstete es Eduard Dannenberg nach Höherem. Da schrieb er den „Faust“ein bißchen um, und heraus kam „Die Verführte – Ein ergreifendes Spiel um eine sündhafte Liebe, die zu Mutter-, Bruder- und Kindesmord führt und grausig endet. Aus der weltbekannten Tragödie Faust von J.W. Goethe“.

Schon vor der ersten Vorstellung waren die ersten sieben Aufführungen ausverkauft. Bei der Premiere tobte der Saal. Mephisto mit dem bösen Blick wurde ständig ausgebuht, kaum betrat er die Bühne. Faust ging es nicht viel besser. „Kerl, du lügst!“schallte es ihm entgegen. Und wer denkt, daß dem Publikum bis zum tragischen Schluß die Puste ausgegangen wäre, der irrt. Als die schändlich hintergangene, entehrte Grete zu guter Letzt blaß und elend im Kerker saß, nützte es gar nichts, daß eine süße Stimme ihre Rettung vom Himmel verkündete. Im Gegenteil. „Watt heet hier gerettet?“brüllte es aus den Stuhlreihen. „Datt is Mumpitz! Heiroden sall he se. Heiroden! Her mit den Doktor! He sall se heiroden!“

Und so kam es, daß Faust zerknirscht sein Gretchen um Verzeihung bat und ihr die Ehe antrug. Und die Deern – immer noch voller Liebe – hauchte ergeben ihr „Ja“. Jubel herrschte, und der Beifall nahm kein Ende. Grete bekam Blumen und Faust eine Handvoll Zigarren auf die Bühne gereicht.

Geblieben ist vom einstigen Rummelplatz eine kahle, trostlose Freifläche. Seit zehn Jahren schon versucht die Stadt, den Spielbudenplatz für das Leben auf St. Pauli zurückzugewinnen. Mehr als der Abriß einiger Billig-Pavillons ist bisher nicht dabei herumgekommen. Jüngste Planungen wollten aus dem Platz und der Spielbudenstraße eine Fußgängerzone machen.

Aber auch diese Pläne scheiterten. Geschäftsleute befürchteten Umsatzeinbußen wegen des Baulärmes. Anwohner wollten nicht nur die Straße, sondern den ganzen Platz umgestalten. Im Mai hat die Stadtentwicklungsbehörde daraufhin einen BürgerInnen-Wettbewerb für die Neugestaltung des Spielbudenplatzes ausgeschrieben. Die besten Arbeiten sollen kommenden Monat vorgestellt werden. Petra Oelker/Foto links:

wap, Foto rechts: Markus Scholz