Optimist, teilernüchtert

■ Frank Duske holt sich das Geld für seinen ersten Film vom zukünftigen Publikum

Steckt dahinter ein Wahnsinniger, ein Clown, Spieler, gar ein Überzeugungstäter? Wer in einem der besseren Kinos der Nation, meist in einem Eck, versteckt auf eine Schachtel/ein Kästchen gestoßen ist, – darin gelbe Faltblätter mit merkwürdigen Aufrufen und seltsamen Ansinnen, der hat sich das ganz sicher gefragt. „Weck den Produzenten in Dir!“heißt es da, und „Kauf die Ziege im Sack!“Erst nach einiger Lese- und Denkarbeit erschließt sich das Anliegen von Frank Duske: seinen ersten abendfüllenden Film möchte er finanzieren auf guter, alter Subskriptionsbasis, jener Vorfinanzierung, die Autoren von Heine bis Henscheid das schriftstellerische Überleben erleichterte. 15 Mark soll jeder zukünftige Besucher des zukünftigen Films „Die nackte Ziege“vorab zahlen. Statt einen potenten Groß-investor zwischen Produkt und Konsumenten zu schalten, also eine Finanzierung von der „Basis“aus. Solch eigenwillige Marketingwege beschreitet Duske nicht freiwillig. Zunächst trabte er den einschlägigen Hindernisparcours der Geldakquise entlang, Banken, öffentliche Filmförderung, private Sponsoren: erfolglos, klar.

Vielleicht hat er sich in ein Gib-niemals-auf-Ratgeberbuch verbissen. Vielleicht dozierte einst in frühen Kindertagen die Großtante: Es gibt immer einen Ausweg. Jedenfalls fand er ihn, den Ausweg. Wir Cineasten sind der Ausweg, vielleicht. In mühseliger Kleinarbeit hat Duske 50 KinobesitzerInnen für sich gewonnen, Jugendfreund Jim Avignon entwarf das 15-Mark-Eintrittsbillett, ein zweiter Werbetrailer ist eben in Arbeit. Filmemacher müssen halt zäh wie Reinhold Meßner sein und ihre ideellen 8000er erklimmen, wußten wir ja.

Aber welche Intentionen stecken hinter solch vorbereitenden Kraftakten?

„Die nackte Ziege ist ein politischer Film“, hebt der sympathische 28jährige Berliner an zu einer Grundsatzerläuterung.

„Das heißt nicht, daß ich abgenudelte Botschaften unter's Volk schleudern möchte, Marke: Politiker sind doof, oder: Seid lieb zu Asylanten. Vielmehr geht es um Grundsätzlicheres, um psychologische Phänomene hinter den konkreten politischen Desastern, um eine Hinterfragung unserer Wahrnehmung und um die Konstituierung von Identität. Wir komponieren uns unsere Persönlichkeit aus einer Vielzahl von Vorbildern Mosaikstein für Mosaikstein zusammen. Ein Stück Fußballstar, ein Stück Filmfigur, ein Stück vom eigenen Vater und so weiter.“

So fließen natürlich auch in Duskes Film eine Vielzahl divergierender Bildungsschnipsel zusammen, die Wertschätzung für Atom Egoyans „Der Schätzer“, die Lektüre von Spenglers „Untergang des Abendlands“oder ganz einfach ein Satz, der ihn schon lange verfolgt. Uns hat er ihn verraten: „Nimm deine Brille ab und sieh, wie sie dich gesehen hat.“Duskes derzeitiger Lieblingssatz. (Dazu unser Filmfachmann Wilfried: „Ein vernichtendes Geständnis. Meine 15 Mark kriegt der nich'.“Banause!)

Zum Film kam der Mann der Auswege natürlich auf einem Umweg. Zunächst probierte er sich an Bildender Kunst und Theater (Duske ist Einar Schleef-Fan). Dort konstatierte er „ein Mißverhältnis zwischen der Energie, die man reinsteckt, und der Breitenwirkung.“Mit Kino dagegen „erreicht man das andere Ende der Welt“und ist „konservierbar“. Außerdem: „Die Filmbranche hat den Vorteil, daß sie Quereinsteiger zuläßt.“Was nicht heißt, daß die nackte Ziege mit Schliengensief-Trash-Appeal auftreten wird. Professionalität garantiert ein Stab von routinierten Kameraleuten, Schauspielern usw.

Das Drehbuch steht bis auf den letzten Punkt, Produkt von immerhin neun Monaten Arbeit. Der konkrete Inhalt wird dennoch nicht verraten. So gibt Duskes offenes Projekt umso besseren Aufschluß über die derzeit herrschende Mentalität in künstlerisch interessierten Kreisen. Sind in einem Deutschland, wo täglich Millionen von Lebewesen dazu bereit und fähig sind 7.99 Mark in Form von Hamburgern im eigenen Magen zu versenken, – gibt es, so fragt uns unser moralischer Zeigefinger nasebohrend, in einem solchen Staat Menschen, die 15 Mark riskieren für ein zwar vages, aber topinteressantes Stück Kunst? Müßte doch, oder? Muß nicht.

Das „Einspielergebnis“der Ziege ist ziemlich ernüchternd. Seit März wurden in Berlin 300 der wunderschönen Jim Avignon-Tickets verkauft. In Bremens „Schauburg“4! Vier! IV! Der Geiz der öffentlichen Hand in Sachen Kunst färbt längst aufs Private ab.

Seine Vorerwartungen von 70.000 verkauften Karten hat Duske abgespeckt auf 10.000 Stück. Für einen zweiten Anlauf in Sachen Filmförderung erstellt seine Crew gerade eine formaljuristisch korrekte Kalkulation („umfaßt 350 Posten!!“). „Langsam beginnt mir das Ganze zu stinken.“Aufgeben will er aber nicht. Bewunderswerte Durchhaltequalitäten. „Vielleicht ist es ganz gut vom Elfenbeinturm runterzusteigen in die schnöde Welt des Organisierens. Moment mal. Jetzt klingelt es an meiner Tür. Da muß ich mir mal 'ne Hose anziehen.“

Huch. Die taz hat mit einem Nackten telefoniert. Das kann nur ein gutes Omen sein für die nackte Ziege. Also Karten kaufen in der Schauburg! bk