Familien zuletzt

■ Freie Träger der Familienarbeit kritisieren Kahlschlag im Sozialen

Der Deutsche Familienverband (DJV) kritisierte gestern scharf die vom Senat erwogenen Kürzungen im Jugend- und Familienetat 1998 in Höhe von voraussichtlich 135 Millionen Mark. Dadurch seien viele Beratungs- und Bildungsangebote für Familien gefährdet und freie Träger im Bereich der Familienarbeit von der Schließung bedroht, kritisierte DJV-Familienreferent Martin Leinweber.

Allein in den vergangenen zwei Jahren führten die Kürzungen im Hause der Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) zu einem Kahlschlag unter den Verbänden. Von 1995 noch 32 im Bereich der Familienarbeit engagierten freien Träger existieren mittlerweile nur noch 24. Auch deren Existenz hält Leinweber bei weiteren Sparmaßnahmen für bedroht, da ihre Zuschüsse um 30 Prozent gekürzt wurden. „Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, wo wir nicht mehr weiterarbeiten können“, befürchtet Leinweber. Durch die steten Kürzungen sei Berlin mittlerweile bundesweit in der Familienpolitik zum Schlußlicht geworden.

Dabei ist der Andrang bei Familienberatungen größer denn je. Beim DJV macht die Nachfrage heute ein Vielfaches des Angebots aus. Allein bei der Schuldnerberatung kann der DJV nur rund die Hälfte der Anfragen bearbeiten. Dabei suchten in den letzten Jahren immer mehr Angehörige gerade von Mittelstandsfamilien bei ihnen Rat – teils mit 40.000 Mark Schulden. Das Gedrängel bei der Schuldnerberatung spiegelt die finanzielle Misere von Familien wider. „Allein jede BVG-Erhöhung trifft ja Familien meist doppelt und dreifach“, kritisiert Familienberaterin Heike Wigginghaus. „Schon jetzt gibt es viele, die seit zehn Jahren nicht mehr in die Ferien gefahren sind.“ Gerade die Familien, deren Einkommen etwas über dem Sozialhilfesatz liegen, seien die Hauptbetroffenen der Kürzungen.

Die Folgen sehen Sozialarbeiter schon heute: Anwachsen der Gewalt, Polarisierung in Arm und Reich, Perspektivlosigkeit für Kinder und Jugendliche. Im Bereich der Prävention zu sparen, hält Wigginghaus daher für unverantwortlich: „Irgendwann gibt es dann lauter marodierende Banden, und wir Sozialarbeiter müssen wieder als Feuerwehr einspringen, um zu retten, was zu retten ist.“ Gudula Hörr