Gelb, Punkt, Däne, Elefant – und sonst nichts

■ Geliebte Tour de France: Wenn dieses Leben doch ewig so weiterrollte – tadellos und fair

„Mrs. Robinson“. Was ist das? Radio, aha. Draußen plötzlich finstere Wolken. Gar nicht sein Wetter. Im Fernseher Sonne, Gott sei Dank. Emig und Watterott stumm. Stummgeschaltet. Ausnahmsweise. Kaffee? Aber zügig. „Die Eltern“, sagt in diese relative Stille eine Stimme, „sind ja auch daneben.“

Ein wunderbarer Nachmittag. Angenehm fließen die Stunden weg. Das rotblonde Haar, das satte Gelb, die Straße. Hinauf! Mythisch. Nichts fehlt.

Da ist das Lieblingswort; es muß gesagt werden. Elefantino. Unerschrocken wie Hannibal fegt dieser Held über die Alpenpässe. Mit angelegten Ohren, möchte man manchmal sagen.

Doch: einer ist gewaltiger. Manchmal ist einem, als würde man dem großen Raymond Poulidor begegnen. Mit strahlendem Verlierergesicht spricht er: „Un homme comme Merckx.“ Ein Mann, der alles kann, klettern, zeitfahren, sprinten. Und doch kein Kannibale, der alles frißt – bloß Heringe. Ein – ja – feiner, ganz feiner Kerl. Wie der brave Däne, der Franzose, wie sich herausstellte, auch, der belgische Rennleiter sowieso.

Wenn sie doch verweilten, die Stunden im Berg. Das Peloton hinten, vorn allein Gelb und Gepunktetes, Däne und Elefant. Aber ach: drei Bergwertungen nur sind es heute zwischen Morzine und Fribourg, der Col de la Croix bloß als höchste Erhebung. Und dann ist Mittwoch, sind es nur noch fünf Etappen, nur noch 789 Kilometer.

Angst. Vor der Zukunft?

Der Appetit ist längst nicht gestillt, nach mehr, nach grünen Fischen, von Muttern auf den Tisch gebracht, mit tadellosem Trainingsfleiß und eiserner Disziplin. Mag sein: Der Vater, den sie verließ, der im Hafen arbeitete. Aber Marianne (44)? Die in Lichtenhagen bei Rostock lebt, Plattenbau, Wolgaster Straße. Sie hat ihren „Jani“ allein aufziehen müssen. Ohne die Großeltern wäre alles nicht möglich gewesen.

Hat ihn gescholten, wenn er Westfernsehen schaute, um die wackeren Hinault und Zoetemelk zu erleben. Damals wog er acht Pfund, war 59 Zentimeter groß und hatte pechschwarze Haare. Aber daneben? Diese deutsche Mutter. Wann war das erzählt worden? Wo hatte es gestanden?

Die Stimme (erneut): „Diese blöden Eltern.“ Und: „Sie verstehen ihn nicht.“ Kaffeetasse klappert. „Mrs. Robinson“ verklingt.

*

Viel später stellt sich heraus: Dustin Hoffmans Eltern. „Die Reifeprüfung“.

Viel später stellt sich heraus: Angeblich im Kino gewesen.

Wann denn?

Behauptet wird plötzlich auch: Es soll Leben geben, draußen. Ohne Gelb, Punkt, Däne, Elefant? Nicht fein und tadellos fair, dafür womöglich blöde und verständnislos? In diesem Moment schaltet die Fernbedienung Emig und Watterott laut. Gut. Alles andere ist doch nicht wahr. Peter Unfried