Absolut außerirdische Gaudi

■ Vor dem Hockenheim-Wochenende laden der große rote Schumi und der kleine gelbe Schumi und die Schumi-Eltern zum Plausch auf ihre neue Go-Kart-Bahn

Kerpen-Sindorf (taz) – Da ist es, ganz nah, dieses unvergleichliche Kinn, das noch jeden Nick Knatterton konturenlos erscheinen läßt. Ja, der Interviewte da drüben muß ein Schumacher sein; Rolf Schumacher ist es, ein älteres Ebenbild seiner Söhne, nur mit einem dünnen blonden Kinnbart getarnt, quasi der Übervater des deutschen Rennsportwahns.

Dieser Schumacher berichtet, er habe in den Siebzigern, kaum daß seine Söhnlein sitzen konnten, diese ans Benzingemisch herangeführt, als er auf der Go-Kart-Bahn im heimischen Kerpen „alte, gebrauchte Teile zusammengebastelt“ hat, damit die Karts ans Laufen kommen und die Söhne mit den Rasenmähermotoren loslegen konnten. Ralf war bei seinen Erstrunden zarte drei. Und Michael später Deutscher Kartmeister.

Familie Schumacher hatte, sekundiert von der Werbewirtschaft, (Bit, RTL, Dekra) zur Mediengala gerufen. Für den Ruf der Kerpener Sippe gab es drei Anlässe und einen Grund. Der erste Anlaß war der Ort des Geschehens, 20 Kilometer vor den Toren Kölns: eine gut fußballfeldgroße Halle zwischen Industriegebiet Sindorf und Autobahn A4, in der Sohn Michael, der rote Ferrarista, eine neue Go-Kart-Rennstrecke zu betreiben sich anschickt. Der zweite Anlaß ist die Raserei in Hockenheim dieses Wochenende. Der dritte: neue Werbepartner, die zu belobigen Bestandteil Schumischer Verträge ist. Und der Grund: die Öffentlichkeit zu füttern mit Bildern, O-Tönen, Statements und Geschichterln ohne Ende, auf daß viel berichtet werde zur Mehrung des Rennruhmes und die Archive vorerst gefüllt seien.

Wir erfuhren, daß Doppelkinnhälfte Ralf definitiv bei Jordan zu bleiben gedenkt. Daß Bruder Michael am Sonntag „wahrscheinlich auf den alten Motor zurückgreifen“ werde. Und daß er im normalen Straßenverkehr „als Familienvater verantwortungsvoll fährt, wie das zu sein hat“, sein Flensburger Kontostand bei null liege.

Das Brudervorbild bemühte sich um bisweilige Integration von Fremdwörtern, was manchmal gelang, beim Wunsch, „neue Sicherheitsstandards zu involvieren“, aber eher nicht. Wir hörten viele Allgemeinplätze zu brennend aktuellen Themen wie Kartfahren im Kindsalter, Deutschland, Autotechnik, Hockenheim-Erwartungen.

Michael, der sonnenbraune Große: „Das ist richtig, ja... Was wichtig ist... Ja, das ist einfach normal... Ehrlich gesagt...“

Ralf, der blasse Kleine (keck): „Im Prinzip sehe ich das genauso.“

Darüber hinaus wußte er von der „neuen Flügelnase für Low Down Force“ (oder so ähnlich) bei seinem PS-Gefährten zu berichten. Fünf volle Stunden dauerte das alles – da wurden Hunderte, ja vielleicht Tausende Filme durchgedonnert, bücherweise Notizen und zig Bandstunden elektronisches Sendematerial zusammengetragen. Wir ahnen: Es wird viele, viele Schumi-Schumi-Geschichten geben in nächster Zeit – vom Pace Magazin über alle Sindorfer Tagesanzeiger bis hin zu Radio Regenbogen. Wir hörten, wie Michael zu Jan Ullrich, dem motorlosen neuen Volksheld-Konkurrenten von der Abteilung Radsport, befragt wurde. Wie er brav aufzusagen wußte, er fände ihn „außerirdisch“ und „absoluten Wahnsinn“.

Ralf sagte zunächst ehrlich unbekümmert, er habe „die Tour nicht verfolgt“, was ihm bald darauf vermutlich einen empfindlichen Managerrüffel einbrachte. Später korrigierte er, seine Antwort sei „wohl peinlich gewesen“. Auch er fände Ullrich gut.

Dann durften sie endlich richtige rollende Maschinen besteigen. Brumm! Nicht das Mondauto, sondern je ein Go-Kart, zum Demorennen. Da brummte und krächzte und krachte es endlich wieder, und es reifenquietschte wie wild, und sie sausten herum, vorbei an den bildfüllenden Werbelogos und Foto-Ikonographien des Schumi-Wesens, sich gegenseitig keck stupsend und abdrängelnd. Eine große Gaudi.

Boris Becker hat, so will es die Werbung, seine Lieblingsschokopaste; lustigerweise, so sagt er uns, die gleiche wie Sohnemann Noah. Beim roten Schumi droht eine ähnliche Entwicklung. Er hat seinen speziellen Lieblingsbrotaufstrich, welchen er allerdings, so die Legende, in seinem Steuersparwohnsitz Schweiz nicht bekommen habe. So mußte er ihn gar einschmuggeln. Also, hieß es, sei er eilig „in Kontakt getreten“ mit einem großen Aachener Konfitürenrührer. Schon droht uns deren Marmeladenmanager „viele Werbefilme“ mit MS an.

Bald also wird uns Schumi I erzählen, mit welcher Nußnougatcreme sich Töchterlein Gina das Lätzchen vollsabbert. Ginas Oma, Elisabeth Schumacher, gab derweil pikante Details aus der Frühphase ihrer Söhne preis.

Schumi II, hörten wir, sei immer „ein Mamakind gewesen“ und habe heute, leider, „immer noch keine feste Freundin“, weshalb zweitsohniges Großmutterglück vorerst wohl nicht zu erwarten sei. „Aber er ist ja auch erst 22.“ Schumi I, Corinnas Gatte, indes war „von Kind an selbständiger“. Selbst heute, weiß die Frau Mama, bügele er angelegentlich noch eigenhändig und koche sogar. Was? „Spaghetti, sein Lieblingsgericht.“ Womit uns, dank der Schumutti, jetzt auch die intime Verbindung zu Ferrari klargeworden ist. Bernd Müllender