Diese waidwunde Weichheit des Kehlkopfbrummens

■ Metallische Lokalmatadoren versprechen als Schwanensee Heilung durch Reflexion, Gefühl und Haken

„Man spricht deutsch.“Was der Münchner Kabarettist Gerhard Polt einst voller Häme über die tumbe Touristenhölle am Mittelmeer verfilmte, wird in der hiesigen Metalwelt langsam aber sicher zur etablierten Ausdrucksform. Keine Angst mehr vor der totalen Verständlichkeit, die eigene Muttersprache wird salonfähig. Die Krupps machen es schon seit Jahren, und die ebenso kraftverliebten wie zweifelhaften Rammstein genießen mit ihren Engel- und Feuersongs gar weltweite Anerkennung. Und spätestens seit sich die Allstar-FormationRichthofen aus Hamburg auf ihrem Seelenwalzer-Album mit genießerischer bis grotesker Schlitzerpoesie zu Wort meldete, ist es höchste Zeit für eine kluge Antwort aus der harten Musikkerbe unserer Stadt. Wo ist die „Hamburger Schule“des Metal?

Wie gut, daß mit Schwanensee nun eine neue Band in den Startlöchern steht und mit ihrem gleichnamigen Debütalbum (Zeitbombe/ Strange Ways) lautstark Heilung via Reflektion und Gefühl verspricht. Natürlich entstammt auch das rettende Quartett nicht einem konzeptuellen Nichts, sondern verbindet inhaltlich wie personell eine ganze Riege gestandener Lokalgrößen: Von Erosion über Girls Under Glass bis Abwärts reichen die biografischen Empfehlungsschreiben der einzelnen Musiker, und sie klingen gut zusammen.

Allen voran flüstert, singt und brüllt sich Chris Zenk in aller Metalherz und -ohr, schmeichelt sich ein, um nur wenig später das einst Liebgewordene wieder zu verstoßen. Diese weiche Welle des einst so wuchtigen Zenk wird manchen Fan irritieren, denn als Sänger von Erosion ließ der Hüne ausschließlich den Kehlkopf brummen und die textliche Keule schwingen. Jetzt arbeitet sich Zenk an der Frage nach Identität, Würde und Glaubwürdigkeit ab. Vor allem vor sich selbst.

Das musikalische Fundament, auf dem der metallische Gefühlshaushalt von Schwanensee dabei aufbaut, schlägt kurze, prima durcharrangierte Haken zwischen leidvollen Wave-Schleifen und gigantischen Thrash-Metal-Eruptionen. Die Zeiten der musikalischen Eindeutigkeit sind auch für Schwanensee vorbei, statt dessen regieren zahlreiche Formen, die sich durch ein Dazwischen auszeichnen. Schwanensee sind, machen und können alles: auf deutsch, in Metal und vor allem mit Verstand.

Oliver Rohlf Sa, 26. Juli, 21 Uhr, Marquee