■ Mit der Fusionskontrolle auf du und du
: Allerlei Maß

Berlin (taz) – Immer mehr mischen sich Kartellämter in ausländische Fusionen ein: Inzwischen hat nicht nur die EU, sondern auch Japan und die USA eine Regelung, daß auch Fusionen außerhalb ihres Hoheitsgebietes genehmigt werden müssen, wenn sie nur groß genug sind und den heimischen Markt betreffen. Denn mit der Internationalisierung der Märkte wächst die Zahl der Fusionen beständig. In Deutschland etwa nahm ihre Zahl der im ersten Halbjahr 1997 im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent zu.

Boeing ist da kein Einzelfall. Auch die US-Wettbewerbsaufsicht (FTC) hat schon europäischen Firmen Auflagen gemacht: Als vergangenes Jahr die Schweizer Chemiefirmen Ciba- Geigy und Sandoz zu Novartis fusionierten, forderte die FTC die Abgabe einiger ihrer Gentherapie-Patente. Außergewöhnlich, denn die Gentherapie ist noch gar nicht marktreif.

Daß die FTC im Gegensatz dazu die heimische Boeing/McDonnell Douglas Megafusion ohne Auflagen durchgehen ließ, zeigt, daß heimische Industrieinteressen durchaus eine Rolle spielen können. Das ist sicher nicht anders bei der nächsten anstehenden Entscheidung des EU-Wettbewerbskommissars Karel van Miert: Der sieht die strategische Allianz der Fluggesellschaften British Airways und American Airlines skeptisch – die FTC und das britische Kartellamt haben aber ihr Okay schon gegeben. Auch die EU machte schon Auflagen; etwa bei der Übernahme von Scott Paper (Kanada) durch den US- Konzern Kimberly Clark, die dafür einige europäische Fabriken verkauften. Während in diesen beiden Fällen die jeweiligen Behörden noch Sanktionsmacht hatten – Novartis hat auch Firmen in den USA, Kimberly Clark einige in Europa –, konnte sich die EU auch schon in Fällen ohne Druckmittel durchsetzten: So verbot sie im April 1996 die Fusion zweier südafrikanischer Platinfirmen. In solchen Fällen, wie bei Boeing, werden Verbote mit Drohungen verknüpft – etwa gegen einheimische Kunden oder eines Handelskrieges. Daran ist den Fusionswilligen aber in der Regel nicht gelegen.

Bemühungen, über die WTO ein internationales Handelsrecht zu etablieren, versandeten bisher: Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen. So handhaben die Japaner und Amerikaner das Kartellrecht deutlich laxer als die Europäer. Andere Staaten kennen überhaupt kein Kartellrecht. Wie schwer eine weltweite Einigung wäre, zeigt die EU: Oft legt das deutsche Kartellamt einen anderen Maßstab an als der EU-Wettbewerbskommissar – und streitet um die Zuständigkeit.

Außerdem ist die WTO eher auf Handelshemmnisse durch die Staaten, wie Zölle, ausgerichtet, weniger auf Unternehmen. Dabei können Wettbewerbsbehinderungen den globalen Markt viel stärker behindern als Zölle. Das zeigt das Beispiel Japan, das bisher nur wenig Konsumgüter importiert. Schuld daran sind keine Zölle, sondern Verflechtungen von Händlern und Herstellern, die ausländischen Produkten den Marktzugang erschweren. So gehört der japanische Importeur oft zum selben Unternehmen wie die Firma, die das japanische Konkurrenzprodukt herstellt. Japanische Behörden haben kein Interesse, das aufzubrechen. Matthias Urbach