Grüne Pläne gegen Verbrechen

Die Grünen stellten ihre Thesen zur Kriminalitätsbekämpfung vor: Prävention wird der Vorzug gegeben. Scharfe Kritik an Gerhard Schröder  ■ Aus Berlin Severin Weiland

Die Klarstellung hätte nicht deutlicher ausfallen können. Gerhard Schröders Forderung nach einer schnelleren Abschiebung straffälliger Ausländer sei reines „Wahlkampfgeklingel“, ja, sie erschwere die Chancen für Rot-Grün bei den Bundestagswahlen 1998, befürchtete die grüne Fraktionssprecherin Kerstin Müller.

Das gestern in Bonn vorgelegte grüne Antikriminalitätskonzept hat mit den Vorstellungen des potentiellen SPD-Spitzenkandidaten in der Tat wenig gemein. Nüchtern wird allerdings festgehalten, daß die Furcht der Bürger vor Straftaten gewachsen sei. Die Politik der Bundesregierung, das Polizei- und Strafrecht zum Teil zu verschärfen, lehnen die Grünen als Mittel der Verbrechensbekämpfung ab. Denn die Repression greife „immer nur im nachhinein“, ausgeblendet würde hingegen die gesellschaftliche Verantwortung für die Entstehung von Straftaten.

Kaum überraschend ist daher der schon in früheren grünen Positionspapieren formulierte Anspruch, Kriminalität müsse im Vorfeld durch ein Bündel von Maßnahmen verhindert werden. Ein Weg dahin seien örtliche Präventionsräte, die Anregungen und Erfahrungen von Bürgern aufgriffen. Deren Ideen sollten dann in einem Gremium auf Bundesebene zusammengeführt werden, das wiederum den Bundestag bei Gesetzesvorhaben berät.

Das Stichwort Prävention durchzieht das gesamte Konzept, auch beim Thema Ausländerkriminalität. Vereinfachte Abschiebungen seien in Zeiten der Globalisierung „unzeitgemäß und unproduktiv“, so die grüne Feststellung. Die Kriminalstatistiken zu Ausländern seien nur bedingt aussagefähig, weil dort unter anderem auch die Straftaten durchreisender Touristen aufgelistet würden. Insbesondere in der Ausgrenzung sehen die grünen Autoren Kerstin Müller, der rechtspolitische Sprecher Volker Beck und der innenpolitische Sprecher Rezzo Schlauch eine Ursache des in Teilen höheren Anteils von Immigranten an bestimmten Straftaten.

„Langfristig präventiv“, so ihre Hoffnung, wirke daher eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts für hier lebende Immigranten, verbesserte Integrationsangebote für Kinder und Jugendliche. Zwar wird in dem Papier nicht explizit eine verstärkte Anwesenheit der Polizei in der Öffentlichkeit gefordert. Doch wird zugestanden, daß die „sichtbare Präsenz“ der Beamten das Sicherheitsgefühl der Bürger „entscheidend“ beeinflusse. Scharf wendet sich das Papier aber gegen eine Ausweitung geheimdienstlicher Ermittlungsmethoden und setzt dagegen auf eine bürgernahe Polizei – wie etwa durch die Pflicht zu Namensschildern.

Um die Beamten und die Staatsanwaltschaft in ihrer Arbeit zu entlasten und den Drogenhandel zu erschweren, wird die Entkriminalisierung von Bagatell- und Drogendelikten gefordert. Das Verbot weicher Drogen wie Marihuana und Haschisch sollte aufgehoben, eine ärztlich kontrollierte Abgabe von Heroin an Abhängige ermöglicht und zudem die Prostitution legalisiert werden. Das Konzept sieht darüber hinaus vor, Verfahren wegen Ladendiebstahls bis zu 250 Mark einzustellen, sofern der Täter nicht nur das Diebesgut zurückgibt, sondern auch eine finanzielle Wiedergutmachung leistet.

Inwieweit die Themenpalette von Schröders Interview-Vorstellungen entfernt ist, wird auch bei der Behandlung des Sexualstrafrechts deutlich. Hatte der Niedersachse über eine lebenslängliche Verwahrung von Sexualstraftätern räsoniert, so lehnen Müller, Beck und Schlauch jede Gesetzesverschärfung auf diesem Feld ab. Täter müßten hingegen „konsequent verfolgt und verurteilt“ werden.