Region und Resignation

■ Sonntag Saisonstart: St. Paulis Manager Helmut Schulte zur Rückkehr in die Bundesliga, der Stärkung regionaler Identität und der Rolle als Watschenmann

Im Playmobil-Stadion zu Fürth startet der FC St. Pauli am Sonntag um 15 Uhr in die neue Zweitliga-Serie. Doch ein Kinderspiel dürfte der angepeilte Wiederaufstieg nicht werden. „Es wird eine schwere Saison“, sagt Manager Helmut Schulte. Der taz erklärte der 39jährige, warum er dennoch „optimistisch“ist.

taz: Wieviele Kisten Sekt haben Sie schon kalt gestellt?

Helmut Schulte: Warum sollte ich Sekt kalt stellen?

Weil der FC St. Pauli kurz vor der Rückkehr in die erste Liga steht.

Wer sagt so etwas?

Ihr Präsident Heinz Weisener. Der redet nur noch vom „sofortigen Wiederaufstieg“.

Es gibt fünf Mannschaften, denen man zutrauen kann, oben mitzuspielen. Dazu gehört auch St. Pauli. Wir wollen aufsteigen. Aber zu der Aussage, daß das jetzt schon geschafft sei, wird mich niemand verleiten können.

Zu welchem Statement denn?

Daß wir eine sehr attraktive Mannschaft haben, die den Aufstieg schaffen kann. Dazu brauchen wir kein Glück oder übernatürliche Verbündete ...

... sondern engagierte Profis, wollten Sie wohl sagen.

Im letzten halben Jahr haben viele Spieler ihr eigenes Süppchen gekocht. Die haben nicht an den Erfolg des Vereins gedacht.

Warum haben Sie dennoch keinen radikalen Schnitt gemacht?

Es war nicht Sinn der Sache, den gesamten Kader auszuwechseln. Wenn man sich eine komplett neue Mannschaft holt, muß man sich darauf einstellen, mindestens drei oder vier Jahre in der zweiten Liga zu spielen. Dieses Risiko wollen wir nicht eingehen. Dennoch: Seit ich bei St. Pauli arbeite, hat es noch nie so einen großen Einschnitt in den Kader gegeben wie jetzt.

Und noch nie eine so alte Mannschaft, fast 30 Jahre im Schnitt.

Wir haben relativ viele ältere Spieler, das stimmt. Aber wenn man kurzfristig Erfolg haben will, braucht man erfahrene Leute. Auf die kann man sich verlassen.

Auch nach einem etwaigen Wiederaufstieg?

Wenn wir aufsteigen sollten, müßten wir investieren und neue, jüngere Spieler holen. Dieses Problem haben wir schon im Blick.

Wie soll der „FC St. Pauli 2000“überhaupt aussehen?

Die Zuschauer wollen eine Mannschaft, mit der sie sich identifizieren können. Das ist unsere Idee: Wir wollen Leute aus Hamburg und der Umgebung in dieser Mannschaft haben. Unser Ziel ist eine Stärkung der regionalen Identität.

Entdeckt der FC nun die heimatliche Scholle?

Quatsch, es macht nur mehr Spaß mit Leuten aus der Region.

Nach welchem System werden Trainer verpflichtet? Gab es keinen jüngeren als Eckhard Krautzun, den zweitältesten Übungsleiter in Liga zwo?

Ich lehne es nicht grundsätzlich ab, einen jüngeren Trainer zu holen. Aber in unser Umbruchsituation brauchen wir einen erfahrenen Coach.

Warum hatte sich die Trainersuche so lange hingezogen?

Ich habe es mir nicht so schwer vorgestellt, einen neuen Trainer zu verpflichten. Dennoch muß ich uns den Vorwurf machen, in dieser Frage viel zu lange gebraucht zu haben. Wenn die Entscheidung schneller gefallen wäre, hätten wir mehr Zeit gehabt – vor allem bei den Transfers.

Das meinen auch die Fans. Als die Verpflichtung des Brasilianers Daniel Franco noch einmal gefährdet schien, gab es böse Stimmen. „Avanti dilettanti, Schulte“zum Beispiel.

Über so ein Plakat bin ich enttäuscht.

Viele Anhänger auch. Die wollen ihren Helmut zurück, der mit Bananen schmeißt und nicht bloß am Schreibtisch sitzt.

Ich versuche hier meine Arbeit vernünftig zu machen, ohne ständig zu betonen, was für ein Super-Typ ich bin, der tolle Dinge macht. Ich bin kein Ankündigungsmeister. Aber daß ich mich zurückgenommen habe, wird mir zum Vorwurf gemacht. Manche sind sogar ernsthaft sauer, daß ich nicht mehr die erste Geige spielen möchte.

Warum wollen Sie nicht mehr vorneweg fiedeln?

Ich muß dieses öffentliche Getümmel im Moment nicht haben. In der ersten Reihe tritt der Trainer auf, nicht der Manager. Auf die Rolle des Watschenmannes habe ich aber auch keinen Bock. Ich will nicht immer kritisiert werden, weil ich die öffentliche Profilierung nicht mitmache.

Sie klingen resigniert.

Ich hoffe nicht, daß es Resignation ist.

Fragen: E. Spohd/C. Gerlach Alles weitere zum neuen Trainer, Eckhard Krautzun, und zum Saisonstart morgen auf den überregionalen Leibesübungen.