Behandeln nur nach Budget

■ Psycho-PatientInnen haben jetzt das Recht auf eine schnelle Untersuchung / Therapiert werden sie deshalb noch lange nicht

Ein kleiner Lichtblick für Menschen, die sich für eine Psychotherapie interessieren, aber bis zu einem halben Jahr auf ihren Platz warten müssen: Ihnen wurde jetzt zugesichert, daß sie innerhalb eines Monats eine erste Untersuchung bekommen. Dazu erklärte sich die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in einem gerichtlichen Vergleich mit den Krankenkassen bereit. Allerdings will die KV die Gesamtzahl aller psychologischen Behandlungen festschreiben.

Mit dem Vergleich vor dem Bundessozialgericht ist ein Konflikt notdürftig befriedet, der seit neun Monaten auf dem Rücken von seelisch Kranken ausgetragen wird. Bis zum letzten Herbst wurde fast jeder zweite Patient, der in Bremen behandelt wird, von einem Psychotherapeuten betreut, der nicht bei der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnete. Das war problemlos, weil mehrere Krankenkassen eine direkte Kostenerstattung mit den Berufsverbänden der Psychologen vereinbart hatten. Diese Selbstorganisation wurde den Krankenkassen jedoch im Oktober 1996 per Gerichtsbeschluß verboten.

Seitdem standen 2.000 Patienten im Regen, monatelange Behandlungen mußten abgebrochen werden, neue Behandlungen kamen nicht zustande. Denn die vertraglich an die KV gebundenen Therapeuten waren überlastet. „Da ist beispielsweise ein Geschäftsmann täglich von mehreren Angstattacken betroffen und kriegt seine Sachen nur noch mit allergrößter Mühe geregelt“, berichtet der Bremer Psychotherapeut Karl Heinz Schrömmgens aus seiner Praxis. „Der mußte jetzt erstmal 30 Anrufe machen, um zu beweisen, daß ihm kassenärztlicher Vertragstherapeuten nicht zur Verfügung stehen“.

Als Folge wurden mehr PatientInnen stationär in Kliniken eingewiesen, gleichzeitig gingen die ambulanten Behandlungen zurück. „Wer auf schnelle Hilfe angewiesen war, gab auf“, sagt Inge Hahn vom Deutschen Psychotherapeutenverband (DPTV), „nur die Hartnäckigsten, also die Gesünderen, setzten sich durch. Oder sie zahlten selbst“.

In ihrem Vergleich mit der Techniker Krankenkasse (TK) und den Berufsverbänden der Betriebs- und Innungskrankenkassen hat die KV nun zugesichert, daß jeder Kranke spätestestens nach einem Monat von einem Vertragsarzt untersucht wird. Eine schnelle Therapie sei damit noch nicht zugesichert, so Klaus Stratmann, Geschäftsführer der KV-Bremen.

Inge Hahn sieht das anders: „Wenn Patienten hingehalten werden, wird das die Gerichte beschäftigen“, empört sie sich: „Man will bei der KV die Therapien künstlich herunterschrauben, indem man ihnen weiterhin die Notwendigkeitsbescheinigung verweigert“. Das bestreitet der KV-Chef auch gar nicht. „Das Gesundheitswesen ist doch nicht marktwirtschaftlich organisiert“, sagt Stratmann, „wir haben ein Budget. Danach wird der Bedarf bestimmt. Das kann man nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen“. „Quatsch!“, sagt dazu Karl Heinz Schrömmgens, „es gibt ja noch den gesetzlichen Anspruch auf Behandlung“.

Die KV hat sich inzwischen eine neue Möglichkeit gesucht, ihr Psycho-Budget einzuhalten. Just beschloß sie, die Fälle auch für die in der KV organisierten Ärzte zu begrenzen. Auf den Stand von Ende 1995. „Das Geld, das uns zur Verfügung steht, bleibt gleich“, beharrt Klaus Stratmann: Danach definiere sich nun mal, wieviele psychisch Kranke es geben könne. Das sei auch richtig so. Man könne doch den Therapeuten nicht die Entscheidung überlassen, wieviele Patienten es gebe. äff