Flüchtlings-Helfer zittern weiter

■ Bürgen für bosnische Flüchtlinge müssen höchstens für drei Monate Sozialhilfe zurückzahlen / Bremen fordert das Geld gar nicht, aber Bremerhaven zögert seine Entscheidung noch hinaus

Der Magistrat Bremerhavens fordert weiter Geld von Menschen, die sich für den Lebensunterhalt jugoslawischer Kriegsflüchtlinge verbürgt hatten. Zwar sind nach einem Urteil des Bremer Verwaltungsgerichts Rückzahlungs-Forderungen der Sozialbehörden über drei Monate hinaus nichtig. Das akzeptiert die Seestadt inzwischen. Allerdings steht noch immer ein Magistrats-Beschluß darüber aus, ob auch die Forderungen für die ersten drei Monate – wie in Bremen geschehen – erlassen werden. „Das wird erst nach der Sommerpause entschieden“, so Werner Bolz, Leiter des Seestädter Sozialamtes.

Bis dahin müssen die Seestädter Betroffenen weiter zittern. In dem verhandelten Fall mußte der Bürge aus Bremerhaven schließlich immer noch 8.417,73 Mark „Sozialhilfe“für seinen Schützling zurückerstatten. Im Vergleich ist dies jedoch recht wenig: Schließlich hatte die Seestadt vor dem Urteil in 30 bis 40 Fällen Forderungen von bis zu 80.000 Mark verschickt.

Die Menschen hatten sich Anfang der 90er Jahre für die Kriegsflüchtlinge verbürgt. Das war damals deren einzige Chance, in Deutschland noch aufgenommen zu werden, da das Bürgerkriegskontingent erschöpft war. Das dicke Ende kam dann im vergangenen Jahr. Den Paten flatterten Rechnungen des Sozialamtes Bremerhaven über sämtliche Leistungen, die der Staat für die Flüchtlinge geleistet hatte, ins Haus.

Viele der Bürgen fühlten sich massiv getäuscht. So etwa Michael Frost, Geschäftsführer der Bremerhavener Grünen: „Mir war klar, daß ich für den Lebensunterhalt der 15jährigen Frau aus Monte Negrino aufkommen mußte.“Klar war ihm aber nicht, daß er sich nicht nur für die Dauer des Touristenvisums der Frau verpflichtete, sondern für ihren gesamten Aufenthalt in Deutschland. Er sollte 25.000 Mark erstatten. Doch damit nicht genug: Die junge Frau hatte gute Chancen, eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten - in dem Fall hätte Frost sein Leben lang für eine Fremde zahlen müssen.

Ähnlich erging es auch in Bremerhaven ansässigen Jugoslawen, die sich nach Angaben des Rechtsanwalts Gerhard von Müller für Angehörige, für Freunde oder einfach aus reiner Solidarität verbürgten: „Vielen von ihnen war wegen sprachlicher Defizite oft gar nicht klar, was sie da unterschrieben. Denen hat man einfach eine Verpflichtungserklärung nach Paragraph 84 Ausländergesetz untergeschoben, ohne sie über die Folgen aufzuklären. Die meisten dachten, mit den zehn Mark Bearbeitungsgebühr sei die Angelegenheit erledigt.“

Immerhin sei die jetzt gefällte Entscheidung, generell das das Urteil des Verwaltungsgerichtes zu akzeptieren, ein Schritt in die richtige Richtung. „Die Entscheidung hätte man allerdings auch schon viel früher treffen können“, moniert Anwalt von Müller gestern. „Die massiven Forderungen auf Kosten der Stadtverwaltung waren ein einziger Versuchsballon, obwohl es schon andere Urteile gab, die besagen, daß derartige unbegrenzte und unbestimmte Forderungen nichtig sind.“

Ganz so einfach sieht es Sozialamtsleiter Bolz aber nicht: „Wer ein solches amtliches Formular unterschreibt, muß sich darüber im Klaren sein, daß daraus resultierende Forderungen später eingetrieben werden. So eine Bürgschaft ist schließlich nicht nur ein Stück Papier.“Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hält er jedoch „für ein salomonisches Urteil“.

Jens Tittmann