■ Nachschlag
: Beckett als Sound: Mozgo Haz aus Budapest in den Sophiensälen

Ungarisch ist eine schöne Sprache. Wenn man es flüstert, zischt es geheimnisvoll. Wenn man es singt, schlüpfen die vielen ö in den langen Wörtern weich ins Ohr. Und wenn man es schreit, werden die i ganz spitz, und das gerollte r wird gefährlich. Fremd klingt es. Aber die deutsche Übersetzung, die auf die Leinwände projiziert wird, klingt nicht weniger fremd. „Fröhliche Haierbarmung, von einer Bleiwelle gewälzt“: Beckett als Sound.

Mozgó Ház, eine freie Theatergruppe aus Budapest, hat Texte aus dem Stück „Endspiel“ von Beckett genommen und aus ihnen kleine Gedichte destilliert: Variationen über die Ödnis, den Tod, die Leere, das Absurde. „Das sind die Mythen des 20. Jahrhunderts“, meint Lázló Hudi, Regisseur und Gründer von Mozgó Ház, die sich im Englischen „Moving House Theatre Company“ nennen. Weil man aber Mythen nicht gut erklären kann, läßt er sie lieber singen, kreischen, stottern und murmeln. Dazu gibt es wunderbare Geräusche. Das sanfte Rascheln von Sand in einer Blechdose; Holzklötze, die aneinanderschlagen; Blasrohre mit dem heiseren Ton eines Didgeridoo. Oder richtige Songs, mit sakraler Orgel oder folkloristischen Percussions, Violine und Flöte.

Insgesamt 14 Akteure zeigen auf der Bühne in den Sophiensälen, wieviel Theater man spielen kann, obwohl eigentlich „nur“ über Musik improvisiert wird. Die Blonde mit einem roten Paillettenkleid und ganz, ganz rotem Mund reißt in grenzenlosem Erstaunen die Augen auf, ihre weichen Arme flattern: Sie singt das Lied von der, die aus ihrer Höhle schlüpft und mit dem Licht spielt.

Während eine zierliche Frau mit den lockigen Girlie-Zöpfen ins Mikro haucht, dreht sich die Dunkelhaarige, sehr groß, sehr streng, selbstvergessen auf einer runden Scheibe: eher cool als einsam. Längst sind die Gesichter, die völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten, die Bewegungen viel wichtiger als die Schautafel mit dem Text. Der Shift von einem Medium ins andere, die Übersetzung von Theater in Musik, vom Ungarischen ins Deutsche ist komplex, aber nicht kompliziert und alles andere als kopflastig. Das Spiel, der Tod, das Tier-Werden, all diese Motive von Beckett sind da: mehr gefühlt als erklärt. Mozgó Ház können schreien, kreischen, kollektiv zucken wie wildgewordene Marionetten, ohne zu nerven. Diesem Sound- und Wortschwall kann man sich bedenkenlos überlassen. Elke Buhr

Mozgó Ház: „Beckett-Songs – lebende Musik“, bis So., 21 Uhr, Sophiensäle, Sophienstraße 18