Den Mann von der Frau fernhalten

■ Eine Frau verließ die Sicherheit des Frauenhauses - und wurde (laut Anklage) zu Hause von ihrem Mann erschlagen. Regine Grabowski: Frauen verlieren, obwohl jahrelang gedemütigt, nie die Hoffnung auf Besser

Heute wird im Landgericht Moabit der Fall Madeleine Milivojević verhandelt. Die 38jährige Berlinerin hatte 1995 in Frauenhäusern Zuflucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann gesucht. Zuletzt lebte sie acht Wochen im Frauenhaus in Königs Wusterhausen. Am 21. Juli kehrte die Mutter einer 14jährigen Tochter zu ihrem Mann zurück. Sechs Tage später war sie tot. Gestorben an den Folgen schwerer Verletzungen. Regine Grabowski, heute beim Landesbüro des Netzwerkes der Brandenburgischen Frauenhäuser, betreute Madeleine in Königs Wusterhausen.

taz: Warum ist Madeleine zu ihrem Mann zurückgekehrt?

Regine Grabowski: Bei Madeleine waren wir alle fassungslos, als sie von uns wegging. Sie hatte in ständiger Angst gelebt, daß er käme. Auf einmal stand er in Königs Wusterhausen und sagte: „Komm nach Hause!“ Sie ist gegangen. Unerklärlich für uns alle.

Welche Gründe haben Frauen, zu gewalttätigen Männern zurückzukehren?

Es besteht eine gewisse Abhängigkeit. Frauen haben ein Bedürfnis zu verzeihen. Wenn der Mann winselt und jammert, ist das für sie schwer auszuhalten. Die Hoffnung, daß sich die Lage bessert, geben sie eigentlich nie auf. Dann hängen oft Kinder dran, und die Frauen möchten die Familie erhalten. Vielfach sind sie auch finanziell abhängig. Es ist dann unheimlich schwer für sie, die Trennung durchzustehen.

Werden die Frauen von Männern unter Druck gesetzt?

Das passiert häufig. Aber auch die Umgebung übt Druck aus. Es herrscht noch immer das Klischee, daß eine Frau sich zu ihrem Mann zu scheren hat und die Gewalttätigkeiten zu ertragen hat. Sonst setzt sie sich der Gefahr aus, gesellschaftlich geächtet zu werden. Und im ländlichen Bereich ist das schwierig, wenn man in einer engen Gemeinschaft lebt, Haus und Garten hat und die Verwandtschaft in der Nähe wohnt. Die Frauen verlieren dort alles. Hinzu kommt der Wunsch nach Harmonie und daß alles wieder gut wird. Die Erinnerung verblaßt, und dann ist da auch eine Sehnsucht nach Zärlichkeit.

Was können Frauenhäuser tun?

Wenn wir merken, daß Frauen zurückkehren wollen, können wir nur mit ihnen reden: „Was passiert, wenn du zurückgehst? Was steht für dich auf dem Spiel?“ In den Monaten nach Madeleines Tod ist keine Frau zurückgegangen. Da stand über allen: So kann es kommen.

Wir versuchen, die Frauen zu ermutigen, ein neues Leben anzufangen. Oft sind sie jahrelang gedemütigt worden, waren isoliert von der Umwelt und haben ihr Selbstbewußtsein fast völlig aufgegeben. Wir wollen ihnen ihre Stärken zeigen. Daß sie, wie Madeleine, es meist trotz der Schläge und miesen Verhältnisse schaffen, ihre Kinder großzuziehen. Diese Ermutigung ist neben praktischen Dingen am wichtigsten. Aber: Viele Frauen sind nicht zum erstenmal im Frauenhaus, sie müssen erst mehrmals bittere Erfahrungen machen.

Ist die häusliche Gewalt in den letzten Jahren angestiegen?

Ja. Dabei läßt sich Gewalt nicht einfach darauf schieben, daß Männer arbeitslos sind und zu trinken anfangen. Es liegt wohl insgesamt an der männlich strukturierten Gesellschaft, die die Männer zu Rambos erzieht. Nur der Mann ist gut, der sich auf Biegen und Brechen durchsetzt. Und wer sich beruflich nicht durchsetzt, kann dann wenigstens seine Stärke bei der Familie beweisen.

Was fordern Sie?

Der Schutz des Opfers sollte im Mittelpunkt stehen. Dafür gibt es Beispiele, unter anderem in den USA. Die Handlungsspielräume der Polizei müssen ausgeweitet, die Ausnutzung gerichtlicher Möglichkeiten erwogen werden. Häusliche Gewalt muß ein Offizialdelikt werden. Sonst drückt sich der Staatsanwalt davor und sagt, es liege kein öffentliches Interesse vor. Der Mann muß von der Frau ferngehalten werden können, durch eine Bannmeile und Entfernung aus der Wohnung. Neben Frauenhäusern muß es Stellen für ambulante und nachgehende Beratung geben. Vieles ist machbar. Auch über wirksame Arbeit mit den Tätern sollte mehr nachgedacht werden.

Welche Rolle sollte die Polizei spielen?

Die Polizei interveniert oft sehr zögerlich. Es gibt mitunter Schwierigkeiten, überhaupt die Polizei zum Handeln zu bewegen, daß sie in die Wohnungen geht und eine Anzeige aufnimmt. Oft versucht die Polizei, mehr die Täter zu beruhigen als sich um die Opfer zu kümmern. Und oft ist die Befragung der Frau behindert, wenn sie in Anwesenheit des Mannes geschieht. Dann ist die Frau verschüchtert. Meist versucht der Mann, die Beamten für sich zu gewinnen, und schafft das vielfach.

Bei Madeleine, so haben wir später erfahren, hat es oft Szenen gegeben, in denen sie bedroht wurde – und die Nachbarn es mitbekamen. Die Polizei kam zwar manchmal, aber ist wieder gegangen. Interview: Gudula Hörr