Zwischen den Rillen
: Muskeln zeigen

■ HipHop als Hitmaschine: Puff Daddy, Wyclef Jean, Bone Thugs'n'Harmony

In den Herrschaftszeiten des Wu-Tang-Clan, der mit „Wu- Tang Forever“ seit Wochen in den Top ten der deutschen Verkaufscharts steht, inszeniert sich US-HipHop vor allem als Hitmaschine und brummendes Familienunternehmen, das den jeweiligen Konkurrenten hinsichtlich Marktanteilen und Hitpotential zu übertrumpfen versucht. Und das unabhängig von Herkunft, Message und Ansatz.

Puff Daddy etwa (alias Sean „Puffy“ Combs), bekannt vor allem als Entdecker, Label- Boss, Produzent und Kumpel von Notorious B.I.G., stand bis zuletzt im Brennpunkt des mörderischen Streits zwischen East- und Westcoast. Mehr Geschäftsmann und Workaholic als Streithansel und Gangster, geht es ihm auf „No Way Out“ jedoch bevorzugt um das Erschaffen und den Einsatz von verkaufsfördernden Images. Wyclef von den Fugees gibt sich als Sologänger sendungsbewußt, friedensstiftend und weit über den Tellerrand des eigenen Hometurfs hinausblickend, wohl weil er zusammen mit den Fugees ein Popstartum von Sting- oder U2-Dimensionen erreicht hat. Bone Thugs 'n' Harmony aus der HipHop-Diaspora Cleveland wiederum repräsentieren inhaltlich die alte, unerbittliche HipHop-Schule – die bei ihnen zusätzlich aufgeladen wird mit zahlreichen religiösen Erweckungsphantasien –, werden aber trotzdem gern auch als „hiphop's version of the Beatles“ (The Source) bezeichnet.

Zusammenhalt, der sich im Erfolg ausdrückt, scheint alle Unterschiede zu überstrahlen. Bone Thugs 'n' Harmony besingen mehrmals den „Family Tree“ (von dem letztes Jahr gleich zwei Soloalben abfielen); Wyclef featuret auf „The Carneval“ seine Fugees-Mitstreiter Lauryn Hill und Pras sowie andere Stars aus dem sogenannten Refugee Camp; und Puff Daddy nennt die zahlreichen Acts, die ihm zur Seite stehen (die letztendlich sein Kapital sind), auch „The Family“. Clan-Building und netzartige Verzweigung: Das Wu-Tang-Modell macht Schule, schafft Unabhängigkeit und läßt die HipHopper aus einer gesicherten Position heraus gegenüber Plattenindustrie und Medien agieren.

Auch wenn Puff Daddy im Intro seines Albums Gott um Schutz anruft, auch wenn er Notorious B.I.G. ein paar liebe und traurige Zeilen widmet – „No Way Out“ ist eine Leistungsschau von Bad-Boy-Records, dem Label von Puffy, featuring: alle Bad-Boy-Größen von Notorious B.I.G. selbst, sexy hexy Rapperin Lil Kim bis hin zu Acts wie 112 und Faith Evans. Hier zeigt einer Muskeln und schlägt eine Brücke zwischen HipHop und R&B, ähnlich wie Dr. Dre letztes Jahr mit „The Aftermath“, nur perfekter, gekonnter – schließlich arbeitet Sean „Puffy“ Combs seit seinen ersten Gehversuchen im HipHop-Circuit an diesem speziellen Crossover.

Daß er nun selbst nicht gerade der begnadetste Rapper ist, konnte man schon bei den beiden vorab ausgekoppelten Hits „Can't hold me down“ (Grandmaster-Flash-Adaption) und „I'll be missing you“ (Police-Cover) feststellen; das machen die anderen auf diesem Album mit ihren Vocals jedoch mehr als wett, genau wie Puffys überlegene Produktionskünste: fett, funky und straight, jeder Song ein Treffer. Überlegen zeigt der Mann sich auch in puncto Dreistigkeit und Konsequenz, was das Ausschlachten und Verwenden großer (weißer) Pophits betrifft: Mit „Been around the world“ dürfte der nächste Chartsstürmer anstehen; ein Track, in dem Puffy David Bowies „Let's Dance“ mit Lisa Stansfields „All Around The World“ (hier gesungen von Notorious B.I.G.) koppelt – vom Verkauf her wohl bigger als beide Originale.

Wyclef versucht, Ausverkaufsvorwürfe auszubremsen, indem er neben Samples von den Bee Gees oder Eric Clapton auch lateinamerikanische und karibische Sounds in den HipHop-Zusammenhang wirft: Ragga-Tunes und -Lyrics, Dub- Echos, Samba- und Salsa-Geklöppel. Seine Devise: Auf einem Carneval kann alles passieren, und befremden die Fugees live schon mal durch etwas seifige Lagerfeuer- und Come-Together-Romantik, so zeigt sich Wyclef auf diesem Album nicht nur von der heiteren Seite. „Guantanamera“ beispielsweise klingt bei ihm eher gepreßt und umflort von einem Hauch Tragik. Wie schon bei „The Score“ muß man allerdings auch hier nicht immer Wyclef... Droste?!?Foto: Sony

gleich in die „reinen“ Coverversionen beißen. Dann schmeckt's auch besser.

Bone Thugs 'n' Harmony wiederum führen – schon der Titel ihres Albums sagt es – die „Kunst des Krieges“ im Schilde. In Anzeigen präsentieren sie sich als „Wasteland Warriors“ (Songtitel), die aus den Flammen kommen, und beim Gastauftritt von Tupac, noch vor dessen Ableben aufgenommen, hört man unentwegt das Klicken des Abzugshahns mitsamt folgenden Schüssen: Ready for war, bereit, die Welt zu teachen. Bone Thugs 'n' Harmony wollen Sektierer sein, inszenieren sich als Heilsbringer im Military- Look, tun das alles aber mit unnachahmlichen und unwiderstehlichen Raps: ein weicher, polyphoner, polyrhythmischer Singsang, der noch aus jedem ihrer mit satten Keyboards unterlegten Stücke einen Popsong werden läßt.

Gerrit Bartels

Puff Daddy & The Family: „No Way Out“ (Arista/BMG)

Wyclef Jean: „The Carneval“ (Columbia/Sony)

Bone Thugs 'n' Harmony: „The Art Of War“ (Columbia/Sony)