Nahles darf nicht ins Internet

■ SPD lehnt kritische Presseerklärung der Juso-Chefin zu Schröder ab. Vergleich mit „Abrißbirne“ unangebracht

Berlin (taz) – Der SPD-Vorstand schwingt sich zum Gralshüter der Parteisprache auf. Zum erstenmal ist eine Erklärung der Juso-Bundesvorsitzenden Andrea Nahles nicht ins Internet eingespeist worden. Anstoß gaben zwei Äußerungen der 26jährigen Studentin zu Gerhard Schröder. Der potentielle SPD-Spitzenkandidat betätige sich mit seinen Äußerungen zu schnelleren Abschiebungen von straffälligen Ausländern als „Abrißbirne“ der Partei, schlage gar arbeitssuchenden Kids „verbal eins in die Fresse“.

Bei aller Liebe zur Jugendsprache – das war für den stellvertretenden Bundesgeschäftsführer Wolfgang Gerhards dann doch zu starker Tobak. Kurzerhand erschien auf seine Weisung hin die Erklärung nicht auf der parteieigenen Homepage. Dabei hatte Nahles zum Teil nur wiederholt, was sie schon am Dienstag in einem Interview mit der taz erklärt hatte.

Gerhards aber blieb stur. Auch ein Anruf im Büro des Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine, der den Jusos wohlgesonnen ist, half Nahles nicht weiter. Verwundert mußte sie zur Kenntnis nehmen, daß die Parteimaßnahme auch von dort im nachhinein gebilligt wurde. „Das ist offenbar ein Präzendenzfall für den kommenden Wahlkampf, mit dem innerparteiliche Kritiker mundtot gemacht werden sollen“, schäumte gestern Nahles. Sie werde das Thema auf der nächsten Sitzung des Bundesvorstandes ansprechen. Wolfgang Gerhards selbst verteidigte sich gegenüber der taz: Jeder könne sich über die Medien äußern, „mit welchen Worten auch immer“. Für die Partei aber setzt der stellvertretende Bundesgeschäftsführer andere Maßstäbe. Wer derart die „Grundregeln der Wortwahl“ verletze, könne auch nicht den hauseigenen Medienapparat in Anspruch nehmen.

Nahles nun versteht die Welt nicht mehr. Sie sei ja schließlich die Sprecherin einer Jugendorganisation, da werde nun einmal nicht nur „einwandfreies Hochdeutsch“ geredet. Severin Weiland