Asylbewerber kämpfen gegen die Oderflut

■ Laut Gesetz dürfen sie nicht arbeiten, jetzt tun sie es freiwillig seit Tagen und gerne. 75 Flüchtlinge des Asylaufnahmelagers Eisenhüttenstadt hoffen, so Vorurteile abzubauen

Ratzdorf (taz) – Richard Longer Adodo ist zufrieden. Dem 27jährigen steht zwar der Schweiß auf der Stirn, und sein T-Shirt ist dreckverschmiert. Doch endlich, so sagt er mit einem Grinsen und im allerbesten Englisch, könne er sich mal wieder richtig körperlich betätigen und nicht wie sonst den monotonen Alltag mit Kartenspielen, fernsehen und Spaziergängen totschlagen.

Adodo kommt aus dem Sudan und lebt seit sechs Wochen in der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber (Zast) in Eisenhüttenstadt. Er mußte als Christ aus dem Südsudan fliehen. Seit zwei Tagen arbeitet er zusammen mit anderen Asylbewerbern aus Indien, Libyen, Marokko und Rumänien im Inselstadion von Ratzdorf, um die Oderfluten zu bekämpfen, die in der 50.000-Einwohner-Stadt den Deich stündlich immer weicher machen.

Das Inselstadion, ein altes Fußballfeld, gleicht einer gigantischen provisorischen Baustelle. Männer, Frauen, Kinder schippen in langen Reihen Plastiksäcke mit Sand voll. Immer wieder kommen neue Lastwagen mit Nachschub. Alle zehn Minuten landen Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes und transportieren riesige Bündel mit Säcken zum Deich, dessen Krone schon teilweise abgebröckelt ist. Seit Dienstag schippen 50 bis 60 Asylbewerber mit, wahrscheinlich das erste Mal, daß die Eisenhüttenstädter in direkten Kontakt mit Flüchtlingen kommen.

Die Leiterin der Zast, Tanja Neumann, ist darüber sehr zufrieden. „Es ist wichtig für die immer noch sehr starke rechtsradikale Szene, daß sie endlich mal sieht, daß die Asylbewerber etwas tun und nicht nur rumhängen.“ Daß sie dazu per Gesetz verdammt sind und normalerweise gar nicht arbeiten dürfen, wüßten die meisten Eisenhüttenstädter jedoch nicht. Am Montag hätte es einen Anruf aus dem brandenburgischen Innenministerium gegeben, ob die 200 Asylbewerber von der Zast nicht auch „mit anpacken könnten“. Spontan hätten sich am ersten Tag 75 Menschen gemeldet. „Ich hoffe, daß wir mit dieser Aktion bei der Bevölkerung Verständnis wecken können.“

Tatsächlich laufe die Zusammenarbeit zwischen deutschen und nichtdeutschen HelferInnen ganz ausgezeichnet, sagt auch Einsatzleiter Gerd Rademacher. Das findet auch der Pakistani Ali Maeatab, der seit zwei Monaten in dem ehemaligen Gebäude der Bereitschaftspolizei, in dem die Zast untergebracht ist, lebt. Hier auf der Verladestelle gäbe es keine Probleme mit den Deutschen. Schon drei- oder viermal wurde er im Park beschimpft, daß er arbeiten gehen solle. Arbeiten tun sie jetzt tatsächlich, doch ob dieser Einsatz etwas in den Köpfen der Eisenhüttenstädter verändern wird, weiß auch Tanja Neumann nicht. Sie hofft, daß die Aktionen keine negativen Folgen für die Psyche der Flüchtlinge haben werden. „Jetzt sind die Deutschen freundlich, weil sie die Hilfe gut gebrauchen können, aber wenn es dann wieder zu ausländerfeindlichen Sprüchen kommt, wäre das doppelt so schlimm.“ Julia Naumann