Der Schafstall wird Arzneifabrik

■ Britische Wissenschaftler haben ein Schaf geklont, das in seiner Milch ein menschliches Protein liefert

Berlin (taz) – Nach Dolly kommt Polly. Die Genchirurgen des Rosslin-Instituts im schottischen Edinburgh sind bei der Anwendung ihrer Klonierungstechnik einen wichtigen Schritt vorangekommen. Erstmals ist es ihnen gelungen, ein geklontes Schaf zu züchten, das in seiner Milch ein menschliches Protein liefert.

Das Schaf Polly ist damit das erste im Genlabor geklonte Lebewesen, das ein Human-Gen enthält. Diesen „wichtigen Schritt für die Kommerzialisierung“ der Klonierung meldete gestern die britische Financial Times.

Das Tempo der technologischen Entwicklung bleibt damit weiter rasant. Weniger als ein Jahr benötigten die im Auftrag des Pharmaunternehmens PPL Therapeutics arbeitenden Rosslin-Forscher, um nach der Geburt des ersten geklonten Schafes ein kommerziell nutzbares Nachfolgemodell zu erschaffen. Vom Nachfolgetyp Polly soll in absehbarer Zeit eine Herde genetisch identischer Schafskopien entstehen. „Dies ist die Realisierung unserer Vision, gleichzeitig ganze Herden zu produzieren, die sehr schnell wertvolle, therapeutisch nutzbare Proteine in großen Mengen herstellen können“, sagte der Forschungsdirektor der Pharmafirma PPL, Alan Colman.

Das auf Polly übertragene menschliche Gen sorgt dafür, daß menschliches Protein in der Schafsmilch enthalten ist. Dieses wird extrahiert und soll dann Patienten verabreicht werden, die unter bestimmten Formen von Proteinmangel leiden. Zystische Fibrose oder die Bluterkrankheit werden von PPL unter anderem als Einsatzfelder genannt. Schon 1999 sollen Polly-Proteine erstmals in klinischen Tests erprobt werden.

Die menschlichen Gene von Polly sind dem Kern einer Schafszelle eingesetzt worden, die einem erwachsenen Tier entnommen worden war. Dieser Zellkern wurde dann in eine befruchtete Eizelle eingesetzt, aus der zuvor die Erbsubstanz entfernt worden war.

Das Klonen ermöglicht es dem Unternehmen, ausschließlich weibliche Tiere zu züchten, und erspart ihnen lange Generationenfolgen. Gleichwohl räumen die Forscher ein, daß sie mit ihrem Verfahren noch nicht zufrieden sind. Bei zwei Geschwistern von Polly sind die Forscher nicht sicher, ob sie tatsächlich das Protein in ihrer Milch herstellen werden. Die Technik müsse weiter verfeinert und die übertragenen Human-Gene akkurater eingesetzt werden.

Dennoch kündigte die Rosslin-Crew schon die nächste Etappe an: Die Experimente sollen jetzt auf Kühe ausgedehnt werden, weil diese sehr viel mehr Milch erzeugen und damit auch mehr humanes Protein liefern könnten. Der Kuh- und Schafstall als Arzneifabrik?

Zugleich schüren die Forscher neue Hoffnungen für eine Xenotransplantation, die Übertragung von tierischen Organen auf den Menschen. Dazu müsse man bei den zur Transplantation vorgesehenen Schweinen jene Gene austauschen, die zur Identifikation der tierischen Herkunft der Organe und damit zur Abstoßung durch das menschliche Immunsystem führen. Davon sei man nur noch „einige Jahre entfernt“, heißt es in dem Bericht der Financial Times. Manfred Kriener