: Von wegen Werteverfall
„Also, ich find das ja ein Ding“, sag ich zu Sonnenbank-Heinzi, als der sich seine Zeitschrift „Der Anaboliker“holn will, „was da so'n paar Bundies abgezogen habn!“„Meinst du den Vorfall, wo einer aus der Ehrengarde beim Salutschießen einem Staatsgast den Hut vom Kopf geschossen hat?“„Nee, das mein ich nicht, der war ja auch von' Grenzschutz und nicht mehr ganz nüchtern. Ich mein die Bundies mit ihre Horrorvidios, die sie in ihre dienstfreie Zeit gedreht habn und wo sie Vergewaltigung', Foltereien und sogar ne Hinrichtung aufgenomm habn.“„Ach so, das, aber das waren doch bloß Fakes! Alles gestellte Aufnahmen.“„Klar“, ereifer ich mich, „das wär ja auch noch schöner, wenn das ECHTE Aufnahm' gewesen wärn, die sie bei ihre Bosnieneinsätze gemacht hätten! Aber auch diese Streifen zeigen doch schon, wie verroht diese Brüder sind und was sie an ihrn Job WIRKLICH intressiert!“„Ich kann nichts dabei finden, Kalle“, sagt nu Heinzi, „wenn engagierte Soldaten das, was sie in ihren Schulungen und Kursen lernen, selbständig und kreativ umsetzen und das auch noch in ihrer dienstfreien Zeit! Jeder Lehrer wäre doch beglückt, wenn seine Schüler das täten!“„Stimmt“, mischt sich jetzt Revierförster Noske ein, „unser oberster Chef, der Herr Uhrlau, hat sich unter Kollegen auch ganz begeistert über diese Soldaten geäußert. ,Wenn wir soviel Idealismus bei unseren Polizeibeamten hätten, sähen die Erfolge bei der Verbrechensbekämpfung ganz anders aus. Aber sobald sich ein fortschrittlicher Ansatz zeigt, kommen sofort die Dämpfer von der GdP!“„Sie finden sowas gut?“frag ich. Heinzi und Herr Noske nicken: „30 Jahre lang haben in den Knästen, beim Bund und bei der Polizei die Weicheier von Psychologen und Sozialpädagogen die Linie vorgegeben, von wegen ,Resozialisierung'. Und was hat das gebracht? NICHTS! Jetzt ist die HARTE LINIE angesagt“, knurrt Revierförster Noske. Und Heinzi meint: „Außerdem ist es eine unheimlich gute Werbung für unsere Wehr. Die Autonomen und die Skins prügeln jetzt keine Passanten mehr zusammen, wenn sie so was auch bei der Bundeswehr haben können.“„Aber Hinrichtungen und Vergewa...“, will ich wieder anfangen, aber der Revierförster schneidet mir das Wort ab: „Zugegeben, es sind Extremfälle, die Soldaten haben eben ihre Grenzen ausgetestet! Aber ist es beim Leistungssport nicht genauso? Oder wenn Bergsteiger Messner seine Achttausender besteigt?“„Naja“, überlegt nu Heinzi, „eigentlich gibt es in jedem Job dieses Grenzen-Austesten. Neulich haben übrigens auf dem Kirchentag ein paar Zivis ein Video vorgeführt, so in einem kleineren Kreis von Interessierten, wo gezeigt wird, was bei ihnen so läuft mit der HARTEN LINIE: wie sie Alzheimer-Patienten knebeln und an ihre Betten fesseln, wie sie quengelnde Senioren in den Pflegestationen anbrüllen oder ihnen das Essen ins Gesicht schütten. Und in einem Fall haben sie einen Senior beim Wannenbad so lange unter Wasser gedrückt, bis er nicht mehr zappelte.“„Endlich mal ein Rezept, um die Rentenproblematik zu lösen“, lächelt Herr Noske. Und Heinzi: „Das Beste war: Diese Videos waren nicht von den Zivis gefakt! Hier war alles TOTAL ECHT! Womit glasklar bewiesen ist, daß Zivildienst und Wehrdienst auf jeden Fall mindestens gleichwertig sind!“
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