Selbstgespräche in Minuten der Muße

■ Kleine Geschichten und Alltags-Philosophie: In David Chotjewitz erstem Hörspiel „Der romantische Verlierer“sinniert ein Kiffer vom Spritzenplatz über sein Leben

Ein Sommertag in Altona kann lang werden. An einem, der nicht weiß, was er will, kleben die Minuten zäh, und deswegen bauscht der romantische Verlierer banale Entscheidungen gern auf. Soll er ins Waschcenter gehen? Oder dochlieber weiter aus dem Fenster starren, auf das Altersheim gegenüber, in dem jeden Tag das gleiche geschieht? Egal. Er kann auch erstmal in die Küche gehen und sich einen Joint drehen.

In David Chotjewitz' neuer Hörspielserie, produziert vom Saarländischen Rundfunk unter der Regie von Stefan Dutt, steht die Zeit still, und in dieser Stagnation läuft ein Leben weg. Fünf Monologe sind es, nur wenige Minuten lang, doch im Gegensatz zu ihrer Verlierer-Figur verstehen es Chotjewitz und Dutt, die kurze Zeit zu nutzen. Zum Erzählen von kleinen Geschichten, zum Sinnieren und Philosophieren und zum Entwickeln eines Charakters, der sich um nichts bemüht, erst recht nicht um Sympathie. Sprecher Matthias Matschke unterlegt den Text mit einem Tonfall, der genau die richtige Dosis Gleichgültigkeit aufweist - ein Glücksfall für die Produktion.

Das Handwerk ist also solide, professionelle Radio-Unterhaltung. Noch Fragen? Ob der romantische Verlierer zu negativ ausgefallen sei, fragt sich David Chotjewitz selbst. Im Oeuvre des 33jährigen Autors, der im vergangenen Jahr den Hamburger Förderpreis für Literatur bekam, nimmt sich ein Verlierer auf den ersten Blick deplaziert aus. Chotjewitz hat Romane und Hörspiele aus dem Englischen übersetzt, bei den Berliner Hörspieltagen mitgearbeitet und etliche Radioproduktionen mit Texten versorgt. Und auch die von Autoren gefürchtete Frage nach einem Roman kann er längst positiv beantworten: Im Alibaba-Verlag sind drei Jugendromane erschienen. Gleich zwei davon knöpfen sich die Lebensläufe berühmter Macher-Typen vor: Karl Marx und Albert Einstein.

Warum Einstein? Und warum jetzt der gelangweilte Kiffer vom Spritzenplatz? Chotjewitz scheint bei der Auswahl seiner Figuren wenig wählerisch zu sein. „Einstein ist eben interessant für Jugendliche“, erklärt der Autor. Das handfeste Schreiben, das Erzählen von Geschichten, das Choreographieren von Stimmen und Tönen im Hörspiel interessieren dagegen David Chotjewitz. Und da er sein Handwerk beherrscht, treffen sich seine und des Publikums Interessen ungefähr in der Mitte: beim gepflegten Entertainment. Das stört niemanden, und ein Versager paßt dort genau so gut hin wie Marx, weswegen am Ende alles doch wieder seine Ordnung hat.

Barbora Paluskova

Zwei Folgen des romantischen Verlieres sendet Radio Bremen 2 am 2. September, ab 16.10 Uhr