Von der Kaufhaustür in die Region

■ Visionen bei der BSAG: Auf normalen Bahnschienen rollen Bremer Straßenbahnen nach Delmenhorst und Achim

„Das Zauberwort sind Direktverbindungen“, sagt Georg Drechsler. „Den Leuten ist völlig egal, ob sie mit der BSAG, der Bahn AG oder mit anderen Verkehrsunternehmen fahren. Die wollen so schnell wie möglich ohne Umsteigen ihr Ziel erreichen.“

Der neue technische Vorstand der Bremer Straßenbahn AG läßt seine Planer an „bahnbrechenden“Konzepten arbeiten. Ziel: Menschen steigen vor dem Kaufhaus in der Obernstraße in die Straßenbahn und fahren ohne Umsteigen zu ihrem Wohnort im Bremer Umland.

Delmenhorst etwa wird da in den ersten Planentwürfen als Endstation für Straßenbahnlinien aufgeführt. Pfeile weisen nach Achim und weiter aufs Land hinaus.

Zu all diesen Orten existiert bereits eine Bahnverbindung. Oder es führen Gleise, wie im Falle des ebenfalls als Endstation vorgesehenen Weserparks, nahe daran vorbei. Nur gehören diese Schienen der Deutschen Bahn AG. Drechslers Plan, den er in Karlsruhe umgesetzt hat (siehe unten): Die Straßenbahnen fahren über kurze Verbindungsgleise von ihren eigenen Spuren auf die Bahngleise. Notwendig sind dann nur noch bisweilen zusätzliche Haltestationen für die Tram. In einem halben Jahr sollen die Konzepte im Detail vorliegen.

„Natürlich gibt es da jede Menge technischer Probleme“, weiß Ingenieur Drechsler. Zwar ist die Spurweite dieselbe. Aber die Straßenbahn wird mit 700 Volt Gleichstrom angetrieben, die Oberleitungen der Bahn führen jedoch 15.000 Volt Wechselstrom. Tram und ICE gehorchen anderen Signalen, die Rundungen und Rillen im Gleisquerschnitt sind verschieden, ebenso die Höhe der Bahnsteige und und und.

„Diese Probleme müssen wir als Fachidioten lösen“, sagt Drechsler. „Es geht nicht um den Straßenbahnverkehr“, wirbt er. Das Beispiel Karlsruhe zeige, daß auch die anderen Verkehrsträger wie die Bahn von einem besseren Verbindungsnetz profitiere, alle Züge seien voller.

Bisher nehmen viele Menschen lieber das Auto: Wer etwa von Oldenburg in die Bremer Innenstadt will, muß bisher entweder vom Hauptbahnhof laufen oder in die BSAG umsteigen. „Das macht kein Mensch gerne“, weiß Drechsler.

Die BSAG stellt bereits die Weichen für die Straßenbanh-Revolution vor. So werden etwa in der Faulenstraße neue Straßenbahn-Gleise verlegt, die in ihrem Querschnitt weitgehend den Gleisen der Deutschen Bahn entsprechen. Auf dem dieselelektrischen Bus, der seit März auf der Buslinie 26 getestet wird, werden Antriebe für Straßenbahnen ausprobiert, wenn sie auf dem Land nicht-elektrifizierte Strecken oder Gleise mit den Oberleitungen der Deutschen Bahn befahren sollen. Bei diesem Bus erzeugt ein Dieselmotor im Heck die Energie für Elektromotoren, die wie bei der Straßenbahn direkt in den Rädern stecken. „Wir testen die Wirtschaftlichkeit der Antriebe“, sagt Drechsler. Denkbar sei auch, daß die Straßenbahnen mittels Trafos auf den Dächern den Strom aus den Bahn-Oberleitungen umformen könnten. Oder sie werden draußen per Dieselgenerator oder Batterie angetrieben.

Daß die neu angeschafften Niederflur-Straßenbahnen nicht auf normalen Bahngleisen fahren können, ist für Drechsler nicht dramatisch: Die BSAG hat noch 60 ältere Wagen. Wenn die ersetzt werden, sollen allerdings Bahngleis-kompatible Straßenbahnen angeschafft werden. „Wir haben genügend Strecken für Niederflurwagen“, sagt der BSAG-Vorstand.

Denn nicht auf allen Strecken seien Straßenbahnen die bessere Option. So sei etwa nach Bremen-Nord die Nachfrage zu groß, hier seien Regionalzüge sinnvoller.

Drechsler plädiert dafür, Strecken auch ohne gesicherte Finanzierung zu planen. Denn der Bund zahle den Löwenanteil für den Ausbau der öffentlichen Nahverkehrs-Netze. Und weil man nie wisse, wann Bonn wieder Geld lockermache, hätten bei den Finanzierungsanträgen diejenigen Kommunen die besseren Karten, die fertige Konzepte aus der Schublade ziehen könnten. Joachim Fahrun