Die Kultur des Kraches

■ Zwischen Kraftwerk und Tortoise: Das Bremer Quartett Voltolux musiziert in Blöcken und beweist, daß Krautrock lebt

Was es nicht ist, ist immer leicht zu sagen. Rock ist es nicht, was die Bremer Band Voltolux macht. Krautrock ist es schon gar nicht. Dub oder Jazz ist es auch nicht. Zu sagen, was es ist, ist schwerer. Denn „von allem etwas“wäre genauso falsch wie richtig. Also was?

Fest steht: Es gibt ein Definiti-onsproblem, wenn es um die Beschreibung jener instrumentellen Musik geht, die seit dem Auftauchen der amerikanischen Band Tortoise und deren Gefolgschaft zunehmend Verbreitung findet. Plötzlich gab es keine Texte mehr, an denen man sich als RezipientIn entlang hangeln konnte. Postrock sollte das Ding heißen und beschreiben, daß mit einem Rockinstrumentarium – verkürzt formuliert – Nicht-Rock gemacht wird. Das englische Musikmagazin The Wire nutzte lange Zeit den wesentlich anschaulicheren Begriff Out-Rock für die gleiche Musik.

Seit dem stetig steigenden Interesse an dieser Musik macht aber die vorübergehend verwässerte Unterscheidung zwischen Songs/Liedern und Tracks/Stücken wieder Sinn. Im Falle der Bremer Voltolux kann man deren Produktionen schon lange nicht mehr der ersten Kategorie zurechnen, der zweiten vielleicht gerade noch. Die vierköpfige Band hat aber mittlerweile ihre eigene Definition gefunden. „Wir sprechen nicht mehr von Songs, sondern von Blöcken.“

Vier dieser Blöcke befinden sich auf der kürzlich veröffentlichten LP. Was diese Stücke grundlegend von den Produktionen nahezu aller Postrock-Vertreter unterscheidet, ist die Entstehungsweise, denn das entscheidende Merkmal ist die Improvisation. Schlagzeuger Torsten Richter erklärt: „Wir sprechen nicht viel ab, sondern spielen einfach, oft stundenlang. Jeder kommt mit seinen Ideen, und es kollidiert halt nicht.“Und Baßist Herwig Timm ergänzt: „Das ist eher ein Art Krach-Improvisation, bei der man spielt, aber nicht genau weiß, was man macht.“Schließlich mischt sich noch Gitarrist York Schaefer ein: „Durch die Improvisation steht automatisch der Sound im Mittelpunkt. Nur daran können wir uns orientieren.“

Als die Band im Dezember vergangenen Jahres ihre erste Acht-Zoll-Single veröffentlichte, beschrieb das halb-bandeigene Fanzine Hayfever den Sound als Mischung aus Krautrock und Ambient. Dies allerdings aus pragmatischen Gründen, wie Herwig Timm meint: „Wenn wir schreiben, daß das Kraut und Ambient ist, versuchen wir nur zu verdeutlichen, worum es gehen könnte.“Während der Schlagzeuger sagt: „Ich muß zugeben, daß mich häufig wundert, wie krautrockmäßig wir klingen.“

Dies gilt insbesondere für die zweite Seite ihrer LP. Hervorgerufen wird dieser Eindruck in erster Linie durch den Klang und das aus-ufernde Spiel der Gitarren. Obwohl man sich eigentlich nie sicher sein kann, wodurch denn nun die gleichförmig anschwellenden Geräusche hervorgerufen werden, die mit stufenloser Intensivierung das ansonsten beharrrlich solide Schlagzeugspiel und die melodiösen Baßläufe mit sich ziehen und ihnen dadurch experimentelle Freiheiten ermöglichen.

Für die obskuren Sounds, die über die vom üblichen Rock-Equipment erzeugten Klänge hinausgehen, sind Carsten Görigs Schleifstein, Theremin und diverse Elektroniken verantwortlich: „Ich versuche, in dem, was die anderen machen, mitzuschwimmen“, sagt er.

Und er beschreibt, daß er die Klänge der anderen Instrumente mit einem Vorverstärker hin und her wabern läßt, bis etwas Fließendes geschaffen ist und – der Sound stimmt. „Kein Instrument dominiert am Ende.“Wenigstens das steht fest. Klaus Smit

Die LP „Voltolux“von Voltolux gibt's in den Läden Ear oder Typhoon oder direkt bei der Band, Krichweg 92 in 28201 Bremen