Asyl-Grundsatzurteil düpiert Senatorin

■ Sozialverwaltung muß Asylbewerber anders versorgen. Gerichtssprecher: Kein Monopol für Magazinläden zulässig

Die Sozialverwaltung muß ihre Praxis überprüfen, nur zwei Magazinläden für die Versorgung von Asylbewerbern bereitzuhalten. Wie jetzt bekannt wurde, hat die vor einer Woche vom Verwaltungsgericht erlassene einstweilige Anordnung grundsätzliche Bedeutung. Eine Asylbewerberfamilie hatte erfolgreich geklagt: Sie dürfe nur in einem zentralen Magazinladen einkaufen, müsse aber – aus gesundheitlichen Gründen – auf das Angebot von Supermärkten zugreifen können. Der Flüchtlingsrat und der Sprecher des Verwaltungsgerichts, Clemens Bath, teilten mit, der Beschluß der ersten verwaltungsgerichtlichen Instanz sei keine Einzelfallentscheidung.

Georg Classen, der Flüchtlinge in der Passionskirche berät, spricht von einer „Grundsatzentscheidung“. Der Sozialrechtsexperte argumentiert, das Verwaltungsgericht habe seine Anordnung nicht aufgrund des Falls der 13köpfigen libanesischen Familie gefällt, sondern die „Monopolstellung“ der beiden Magazinläden gerügt. Das habe grundsätzliche Bedeutung und zwinge die Sozialverwaltung dazu, Asylbewerbern freie Einkaufsmöglichkeiten einzuräumen. Die Sprecherin der Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU) gab gestern keine Stellungnahme zu dem Fall ab.

Die Familie hatte dagegen geklagt, ihre Lebensmittel nur noch in einem Magazinladen kaufen zu können, der von der privaten Sorat GmbH betrieben wird. Das Gericht entschied, daß die Praxis des zentralen Verkaufs die Flüchtlinge benachteilige. Sie bekämen durch den Zwangseinkauf weniger Leistungen, als ihnen gesetzlich zugestanden wird. Sie dürfen jetzt mit Wertgutscheinen einkaufen, die in mehreren Supermärkten einlösbar sind.

„Es ging dem Gericht nicht um das persönliche Schicksal der Familie“, sagt nun Sozialrechtsexperte Classen. Es sei in der Begründung nicht relevant gewesen, daß der Antragsteller krank sei und wegen einer früheren Herzmuskelentzündung einer besonderen Ernährung bedürfe. „Wäre der Kläger ein junger, gesunder Flüchtling gewesen, hätte das Gericht genauso entschieden“, glaubt Classen. Ähnlich sieht es Clemens Bath: „Es ging dem Gericht um die Zulässigkeit des gesamten Einkaufsverfahrens.“

Classen geht davon aus, daß aufgrund der einstweiligen Anordnung weitere AsylbewerberInnen klagen werden: „Wie viele es sein werden, kann ich jedoch nur schwer einschätzen.“ Laut Bath gibt es bei den anderen Kammern des Verwaltungsgerichts bereits parallele Verfahren zur gleichen Sache. Um wie viele es sich dabei handele, konnte er jedoch nicht beantworten. Das Landesamt für zentrale soziale Aufgaben hat mitgeteilt, gegen das Urteil Beschwerde beim OVG einzulegen. Julia Naumann