■ Albanien: Gemäßigter sozialistischer Präsident im Amt
: Die Chance der Versöhnung

Mit der Wahl des Sozialisten Rexher Mejdani zum neuen Staatspräsidenten bekommt Albanien eine echte Chance für einen Neuanfang. Diese Chance zu haben ist eine, sie auch zu nutzen eine andere Sache. Denn es geht ja nicht nur darum, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, die Menschen zu befrieden und die dringend überfälligen Wirtschaftsreformen einzuleiten. Vielmehr wird es in nächster Zeit darauf ankommen, in dem Balkanland, das unter dem einst als Reformer angetretenen Staatspräsidenten Sali Berisha mehr und mehr zu einem autoritären Regime degenerierte, einen nationalen Grundkonsens zusammenzuschmieden. So geht es darum, demokratische Spielregeln im Bewußtsein der Politiker und der Bevölkerung zu verankern.

Ob Rexher Mejdani, der nie der albanischen kommunistischen Partei angehört hat und als gemäßigter Vertreter der sozialistischen Partei gilt, dieser Spagat gelingen wird, ist fraglich. Denn die Wunden sind tief und noch manche Rechnung offen. Das haben bereits die Ereignisse der letzten Tage gezeigt. Die Demokratische Partei von Berisha boykottierte aus Protest gegen den Verlauf der Wahlen die erste Sitzung des neuen Parlaments. Ihr Sprecher wurde bei dieser Zusammenkunft von den Sozialisten kurzerhand mit Redeverbot belegt. Und auch die Auftritte von Sali Berisha selbst vor seinem Rücktritt waren schon ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie der entthronte Staatspräsident fortan als Chef der Opposition agieren könnte.

Zudem wird mit dem Sozialisten Fatos Nano jemand den Posten des Premierministers übernehmen, den Berisha in den Knast schickte und der jetzt, mit einer komfortablen Zweidrittelmehrheit im Rücken, versucht sein könnte, es seinen Widersachern mit gleicher Münze heimzuzahlen.

Doch zu diesem Schlagabtausch und Rachefeldzug muß es nicht kommen. Damit allerdings aus dem von Fatos Nano gelobten „guten parlamentarischen Start“ auch wirklich eine positive Entwicklung für das krisengeschüttelte Albanien wird, ist auch der Westen mehr denn je gefordert. Und zwar nicht nur mit Truppen und Panzern, die als multinationale Friedenstruppe durch die Straßen patrouillierten und jetzt, knapp einen Monat nach den Parlamentswahlen, wieder auf dem Rückzug sind. Die Mission Alba ist erledigt, die Mission Albanien ist es noch lange nicht. Barbara Oertel