„Hübsche Leistung“

■ Immer nur Beine auf und ab. Was nur ist für die Zuschauer so spannend daran?

Gibt es – Ausnahme Rhönradfahren – etwas viel Langweiligeres als das Radfahren? Natürlich, das Zusehen beim Radfahren.

Ich höre schon den Einwand. Das muß doch spannend sein – seht nur, wie die Menschen rasen! Ein Tip: die Menschen rasen heutzutage bei allerlei. Eigentlich rasen sie zu allem, was ihnen nur lange genug als rasenswert präsentiert wird. Inhaltlich muß das gar nix heißen. Die Tour de France ist – ausdauersportlich gesehen – eine ganz hübsche Leistung. Daran gibt es nichts zu deuteln, auch wenn die Wand schon steht, auf der demnächst das Pillen- bzw. Spritzenmenetekel aufflammen könnte. Denn wie hat Jan Ullrichs Heimtrainer Peter Becker ebenso richtungsweisend wie treuherzig gefragt: Wo kriegt der das nur her? Diesen plötzlichen Qualitätsschub natürlich, nicht den Stoff. Wäre schließlich nicht das erste Mal, den Doping-Briten Tom Simpson kennt nun wirklich fast ein jeder.

Dabei ist bei der Tour schon viel früher, als man die Bären noch mit der Luftpumpe vertreiben mußte, beschissen worden. Juckpulver ins Trikot, Sand in die Hose, Rhizinus in den Tee. Trotzdem: es ist ehrlich eine ziemlich beeindruckende Leistung, und ich würde Paris auch mit Pillen per Rad niemals zu sehen bekommen. Wirklich – herzlichen Glückwunsch, all ihr heroischen Knochengestelle. Schon beeindruckend, wie ihr die Berge hinaufschnauft und die Abfahrten hinunterbrettert; die schöne Landschaft nicht achtend und auch nicht die Gefahren. Aber, Herrschaften – zum Zusehen ist das ja wohl nicht sehr aufregend. Kommt davon, weil der Radfahrer nicht viel tut, wenn er radfährt. Beine auf und ab. Das war es im Prinzip. Mental geht es vielleicht hoch her, aber das sieht man nicht. Noch nicht. In fünfzig Jahren kann sich unsereins per Pay-TV sicher auch in des Rennfahrers Hirnkasten einschalten.

Wir Heutigen müssen uns noch auf die paar sichtbaren Highlights konzentrieren. Brutal zappelnde Killersprints und das Warten, bis Moto 1 den ersten Zuschauer in den Gully rammt – aber sonst ...? Wiränk beim Safttrinken und ansonsten stundenlanges Gebuckle über der Rennstange. Manche fahren sogar freihändig und unterhalten sich. Skandal, wenn sie mich fragen. Albert Hefele