Letzter Kult im Techno-Tempel

■ Das E-Werk hat bis Sonntag seine vorerst letzte Party gefeiert. Jetzt droht das alte Umspannwerk in den etablierten und rentableren Kulturbetrieb einzutreten

Die Party ist vorbei. Das E-Werk ist dicht. Und nach einer letzten tagelangen Mega-Party schloß sich gestern das leicht rostige Gittertor hinter den RaverInnen, die aus dem ehemaligen Umspannwerk an der Wilhelmstraße in Mitte wankten. Der Betreiber des E-Werks, planetcom, gibt die Backsteinhalle und das Freigelände als Techno-Disko auf.

Planetcom, auch Veranstalter der Love Parade, weiß zu kalkulieren. Nicht erst bei der diesjährigen, zur Millionenparade hochgejubelten Love Parade stellten die Techno-Unternehmer mit der professionellen Vermarktung des Events ihre Geschäftstüchtigkeit unter Beweis. Sowohl bei der Parade als auch im E-Werk sind Sponsoren wie zum Beispiel Camel oder West stets mit von der Partie. Aber weil sich das E-Werk angesichts der hohen Miete jetzt nicht mehr rechne, so hat planetcom-Chef Ralf Regitz erklärt, bleibt der berühmteste Techno-Tempel der Hauptstadt erst einmal geschlossen – zumindest für die Tanzwütigen.

Noch in der Nacht zum Sonntag pilgerten Scharen Neugieriger und echter RaverInnen zum letztenmal auf das brachliegende Gelände zwischen Treuhand-Gebäude und Leipziger Straße. Weil alle noch einmal einen Blick auf die Lichtspiele werfen wolten, weil es planetcom gelungen war, selbst die Schließung des E-Werks zu einem Party-Event zu stilisieren. Eine Schlange drängte sich fast bis zur Wilhelmstraße; nur um noch einmal für 20 Mark und nach circa zwei Stunden langem Anstehen mit dem Kopf zu dumpfen Beats zucken zu dürfen.

Gewinnversprechendere Ereignisse planen die Betreiber für die Kultstätte, in der jemand wie DJ Westbam groß geworden ist. Während andere Clubs aufgrund der Preisexplosion in Mitte einfach schließen und sich immer weniger der kultverdächtigen Orte halten können, wird sich das E-Werk vermutlich in eine gehobene Eventpassage verwandeln: Neben Konzerten sollen möglicherweise nach einer Renovierung auch Modeschauen stattfinden. Restaurants und Büros für Medien- und Kunstschaffende könnten dann ebenfalls im ehemaligen Umspannwerk Einzug halten. Vorher aber inszeniert im September Katherina Thalbach eine E-Werk-Fassung von Mozarts „Don Giovanni“ zwischen den ehrwürdigen Mauern. Barbara Junge