Solarprojekte ohne Lobby

Forschungsministerium beschneidet den knappen Etat für regenerative Energien weiter. Solarforschung fürchtet um Zukunftsfähigkeit  ■ Aus Essen Ralf Köpke

Die Sommerschule in Oldenburg bleibt für die ausländischen Studenten in diesem Sommer geschlossen. Die Ursache dafür ist simpel: Das zuständige Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) ließ bereits im vergangenen Herbst das Eldorado-Förderprogramm auslaufen. Vor allem Studenten aus Südamerika und Schwarzafrika bekamen bisher an der Carl-von-Ossietzky-Universität sechs Wochen lang das Einmaleins der Solar- und Windenergietechnik vermittelt.

Für den Oldenburger Wissenschaftler Detlev Heinemann, Mitarbeiter am Fachbereich für Physik, Energie- und Halbleiterforschung, ist das eine unverständliche Entscheidung: „Gerade mit diesem Aus- und Weiterbildungsprogramm gehen den deutschen Herstellern auch wichtige Multiplikatoren und Käufer verloren.“ Nicht nur das Auslaufen des Eldorado-Programms schmerzt die Oldenburger Solar- und Energieforscher. Zwei für dieses Jahr geplante Projektanträge haben sie in der Schublade liegenlassen. Wieder hat das BMBF die Finger im Spiel: „Zukunftsminister“ Jürgen Rüttgers hat die Forschungsmittel für die regenerativen Energien gekappt.

So sank allein die Solarstromförderung in diesem Haushalt um 22 Prozent auf 64 Millionen Mark. Dagegen weisen die Etatposten für die Kernenergie in der mittelfristigen Finanzplanung, sprich: für die nächsten fünf Jahre, immer noch ein kontinuierliches Plus auf. Allein für den Bau des neuen Fusionsreaktors Wendelstein 7X in Greifswald sind 320 Millionen Mark vorgesehen.

Daß der Kohl-Zögling Rüttgers dennoch von „einer kontinuierlichen Forschungsförderung für die erneuerbaren Energien in ausreichender Höhe“ spricht, erbost Simone Probst. Das Nachbohren der forschungspolitischen Sprecherin der bündnisgrünen Bundestagsfraktion brachte kürzlich die traurige Wahrheit ans Licht: Aus dem laufenden Haushalt kann das Rüttgers-Ministerium im Bereich Energiespartechniken nur 3 Millionen Mark für neue Projekte investieren, alle weiteren Mittel sind für ältere Vorhaben gebunden. Simone Probst: „Es bleibt deshalb nicht aus, daß neue Ideen erst einmal in die Warteschleife kommen, Forschungsinstitute eine Zwangspause einlegen müssen und der Entwicklungsprozeß ins Stocken gerät.“

In der Tat herrscht vor allem in der Solar-Szene, so ein Insider, „Heulen und Zähneklappern“. Für die Leipziger Projektgruppe des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme (ISE) ist es ganz vorbei. Ende März wurde das einzige außeruniversitäre Solarforschungsinstitut in den neuen Bundesländern abgewickelt. Zehn Wissenschaftler, die einen Zeitvertrag hatten, konnten im Gegensatz zu den drei festangestellten Mitarbeitern nicht von der Freiburger ISE-Zentrale übernommen werden. In der Breisgau-Stadt hat Burkhard Holder, kaufmännischer Leiter des Instituts, noch immer mit dem 97er Etat für die 100 festangestellten und rund 130 freien Wissenschaftler zu kämpfen: „In guten Jahren hatten wir immer schon zur Mitte des Vorjahres unsere Finanzplanung abgeschlossen.“

Als Reaktion auf die „sehr beängstigende Situation“ versuchen die Fraunhofer-Solarforscher für ihre Entwicklungen Kunden aus dem „nichtenergetischen Bereich“ zu finden. Mit einem eigenen Stand auf der Hannover Messe haben die ISE-Wissenschaftler ihre Elektronik- und Werkstoffentwicklungen erst einmal einem größeren Publikum präsentiert.

Auch das Institut für Solare Energieversorgungstechnik (Iset) in Kassel plant nun, verstärkt auf industrielle Forschungsaufträge zu setzen. Zum Zehn-Millionen- Mark-Haushalt steuert das Land Hessen gerade einmal zwei Millionen zur Grundfinanzierung bei, der Rest wird mit Drittmitteln – bei denen bislang die BMBF-Gelder eine große Rolle spielten – gedeckt. Von einer „schmerzlichen Lage“ spricht Pressesprecher Ralf Schwarz. Entlassen hat das Iset noch keinen Mitarbeiter: „Mit Arbeitszeitverkürzungen und unbezahltem Urlaub wollen wir über die Runden kommen“, so Ralf Schwarz. Er befürchtet bei anhaltenden Bonner Haushaltskürzungen für den Forschungsbereich einen „Know- how-Verlust“: „Noch können wir mit den Amerikanern und Japanern mithalten.“

Wenig Hoffnung auf neue Signale aus Bonn hat Karl-Heinz Frietsch, Verwaltungsleiter des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart: „Mir tun vor allem die jungen Leute mit herausragenden Zeugnissen leid, denen wir ständig Absagen schicken müssen.“ Auch die ersten vier Zeitverträge konnte das ZSW jüngst nicht mehr verlängern. Frietsch ärgert vor allem das doppelte Spiel der Bonner Regierung: „Was soll das Gerede von der Gefährdung des Standorts Deutschland, wenn für die zukunftsfähigen Arbeitsplätze bei den erneuerbaren Energien zunehmend das Geld fehlt?“