Und alle sagen „Mama“

Die Herrin der Sushi-Bars und Asia-Imbisse: Frau Lee Kang, eine Krankenschwester aus Seoul, 62 Jahre alt  ■ Von Christine Holch

Chon-Min Han-Moerbeck ist nicht gerade faul: „Ich arbeite 12 bis 16 Stunden, für mich ist es egal, ob ich frühstücke oder arbeite.“Doch das sei kein Vergleich zu dem, was „Mutti“leiste, sagt der 35jährige Betriebswirt voller Respekt. „Mutti“ist seine Schwiegermutter und die Chefin eines kleinen Imperiums von asiatischen Imbissen und Restaurants. Ihr gehören zum Beispiel im Schanzenviertel der Asia-Imbiß in der Bartelsstraße, die Sushi-Bar in der Susannenstraße, das Asia-Restaurant Bok in der Schanzenstraße und seit sechs Wochen die neue Sushi-Bar am Schulterblatt.

„Mutti“war nicht immer Chefin: Kae-Soon Lee Kang begann ihr Arbeitsleben als Krankenschwester in Seoul. 1971, als in deutschen Kliniken Personalnotstand herrschte, ließ sie sich anwerben, holte bald die vier Kinder nach. Der Vater blieb in Korea.

Eine rundliche kleine Frau in schlichtem Sommerkleid wuselt über die Schwelle des Restaurants Bok in der Schanzenstraße. Völlig außer Atem. Mittwochs, sagt sie ein bißchen verschämt, gönne sie sich halt immer die Sauna in Altona. Die helfe gegen die schmerzenden Schultern.

Kae-Soon Lee Kang ist 62 Jahre alt. Und sie war nicht immer erfolgreich. Um die Kinder durchzubringen, eröffnete sie bereits in den 70ern ein koreanisches Restaurant gegenüber dem ZOB – und ging pleite. „Ein Makler hat sie regelrecht reingelegt, und sie sprach ja so schlecht deutsch“, sagt ihr Schwiegersohn.

Doch getreu dem Motto „Ein Koreaner muß nur die Pfanne in die Hand nehmen, dann überlebt er“eröffnete Kae-Soon Lee Kang Ende der 80er in der Bartelsstraße den ersten Asia-Imbiß Hamburgs – mittlerweile dutzendfach kopiert. Heute hat sie bereits sieben Läden. Eine erfolgreiche Managerin also. Nein, nein, Kae-Soon Lee Kang wehrt das ab, sie sei eine „normale Hausfrau, ich koche doch nur wie zu Hause“.

Aber sie kocht keineswegs nur, sie sucht auch das Personal aus. Die japanischen, koreanischen und chinesischen Köche zum Beispiel, und zwar nach sehr eigenen Kriterien: „Ein guter Koch muß Herz haben und Geduld zum Kochen, dann klappt alles.“Daß so ein Koch sich auch fügen können muß, ergänzt der Schwiegersohn: „Das ist bei uns nicht so, daß ein Koch kommt und macht dann, was er will. Jeder Koch muß das machen, was Mutti will.“Dafür bekomme ein guter Koch aber auch anständig bezahlt, meist mehr als deutsche Köche, ein guter Sushi-Koch beispielsweise 6-9000 Mark brutto.

Tun, was die „Mutti“will. Das heißt: fast nur Frischgemüse. Und nur ganz kurz andämpfen auf speziellen Gasherden mit einer enormen Hitzeentwicklung, manches nur zehn Sekunden lang. Prompt schmeckt schon die Frühlingsrolle anders. „Wir machen die Füllung selbst, das ist keine Industrieware, kein abgekochter Matsch“, erklärt Chong-Min Han-Moerbeck. „Außer Kartoffeln kochen wir in Asien nichts durch.“

Kompromißlos asiatisch, loben viele Gäste. Da findet sich etwa das strengschmeckende Zitronengras in Saucen, und der Chinakohlsalat ist brutal scharf knoblauchgewürzt. Doch die Küche ist so ganz kompromißlos nicht: „Hier würde zum Beispiel niemand eine Krake essen, die sich noch auf dem Teller bewegt“, meint Han-Moerbeck. Liebend gern würde er auch Haifischflossensuppe von der Karte streichen. Einen ganzen Hai abschlachten, nur wegen der Flosse! Was in die Suppe kommt, ist übrigens nur der gefilterte Sud der ausgekochten Flosse. Immer wieder beschweren sich Gäste: „Wo ist hier die Flosse?“

Das Publikum, sagt der Schwiegersohn, stamme aus allen Einkommensschichten. Das reiche von Bettlern, die Reis und Gemüse umsonst bekommen, bis zu Justus Frantz, dem Leiter des schleswig-holsteinischen Musikfestivals, der sich regelmäßig beliefern lasse. Und bis zu den Autonomen. Am Anfang, Kae-Soon Lee Kang knetet die Hände, „am Anfang hatte ich ein bißchen Angst vor denen – aber das sind ganz liebe Leute“. Und alle sagen „Mama“zu ihr. „Darauf bin ich stolz.“