„Wir wollen Frieden“

■ Nach blutigen Krawallen zwischen Tamilen und Rußlanddeutschen wollen die feindlichen Gruppen in Osterholz-Tenever jetzt Frieden schließen. Jugendliche bleiben skeptisch

In Tenever hat es geknallt. Nach wochenlangen Streits zwischen russischen und tamilischen Bewohnern der Hochhausburgen ist die Lage Sonntag früh eskaliert. Eine Gruppe junger Tamilen hat die Russen „aufgemischt“, erzählt man sich. Die Tamilen sollen Molotow-Cocktails in eine Versammlung junger Russen geworfen haben. Bis gestern abend zogen sich die polizeilichen Verhöre von 13 festgenommenen Tamilen hin. Sie stehen unter dem schweren Verdacht des versuchten Totschlags und der Körperverletzung. Unterdessen liegen zwei junge Rußlanddeutsche mit schweren Brandwunden im Krankenhaus. Während eine Gruppe von Tamilen die Vorfälle bestürzt zur Kenntnis nimmt und gestern erste Gespräche mit am Streit direkt beteiligten Russen und Tamilen aufnahm, bleiben die russischen Jugendlichen im Viertel mehr als reserviert.

Am Abenteuerspielplatz Pirmasenser Straße, mitten in Osterholz-Tenever, schnauben sie verächtlich durch die Nase als sie vom Gesprächsangebot des Tamilen Viraj Mendis und des Menschenrechtsvereins hören. „Frieden? Wie soll das gehen?“fragt der 17jährige Eddi. Eines der Brandopfer vom Sonntag ist sein Freund Andreas. „Ich habe ihn gelöscht“, sagt Eddie. Die Brandsätze sind direkt am Körper der Angegriffenen in Flammen aufgegangen. „Und jetzt wollen die andern Frieden? Nach dem, was sie zweien von uns angetan haben?“schütteln auch die Mädchen unter den Aussiedlerjugendlichen ungläubig den Kopf. „Nein.“

Für die russischen Jugendlichen ist klar: „Die Indianer oder wie die heißen, die Schwarzen eben, haben angefangen. Die waren doch auch viel mehr – gegen so wenige von uns.“Wieviele junge Männer auf beiden Seiten beteiligt waren, bleibt unklar. Auf die Frage, was der Grund für einen solchen Brandüberfall auf offener Straße sein könnte, zucken die Jugendlichen, allesamt zwischen 15 und 23 Jahren alt, fast unbeteiligt die Schultern. „Keine Ahnung. Wir wollten bloß zu einer Hochzeit.“

Berichte, nach denen „die Russen“sich regelmäßig die Birne mit Alkohol vollknallen, sich mit Waffen auf dem Spielplatz oder in Feuerwehreinfahrten verschanzen, von wo aus sie anderen Angst einjagen, wehren die so Beschuldigten ab. „Nein, das stimmt doch nicht“, sagen sie. Eine von mehreren Polizeikontrollen gestern nachmittag bestätigt sie kurzfristig. Die „präventive“Personalien- und Taschenkontrolle ergab nichts Auffälliges. „Diesmal nicht“, lacht ein kleiner, dunkelgelockter Junge verschmitzt. Aber am Sonntag, kurz nach dem Molotow-Überfall, hat er vier Polizeikontrollen gezählt – „und da haben sie auch Messer und Haschisch gefunden“, berichtet der Steppke aufgeregt. Daß Sri Lankaner kontrolliert wurden, hat er nicht beobachtet.

„Die bleiben zu Hause“, sagt ein junger Russe. „Wie meine Frau und das Kind. Die haben Angst vor den Russen“, sagt der junge Mann, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Er ist sicher: „Die Russen haben den ganzen Streit angefangen. Die saufen immer und dann geht das los.“Er weiß von mehreren Angriffen durch seine Landsleute auf Tamilen.

Seit Monaten registriert auch die Polizei vermehrt Anzeigen von tamilischen und singhalesischen TeneveranerInnen gegen Russen. Eskaliert ist der schwelende Konflikt jedoch vor zwei Wochen, als an der Otto-Brenner-Allee zwei Tamilen beim Überqueren der Straße von einem Auto angefahren wurden. Einer der beiden Männer starb an den Folgen des Unfalls, für den sich ein Osteuropäer wird verantworten müssen. Doch die russischen Jugendlichen, so berichtet man sich im Viertel, haben die Trauerfeierlichkeiten am improvisierten Gedenkstein beim Unfallort gestört; niedergelegte Blumen und ein Goldkettchen verschwanden vom provisorischen Unfall-Mahnmal. So erklärt man sich den Brandüberfall, bei dem auch 14- bis 17jährigen deutsche Jungen auf der Seite der „Slankas“beteiligt gewesen sein wollen. Daß die Sri Lankaner, die für Schnorrer immer eine Zigarette übrig haben „und immer höflich sind“, sich die Anmache der Russen nicht gefallen lassen, finden die jungen Deutschen gut. Derweil fand gestern ein erstes Gespräch zwischen Russen und Tamilen statt. 20 Leute kamen, um „Frieden zu schließen“. Darunter am Konflikt direkt Betroffene, wie die Männer, die im Unfallwagen saßen, samt Eltern. „Wir haben Hoffnung“, sagen die Tamilen.

Eva Rhode