Hochwasser Von Klaudia Brunst

Immerhin haben mich meine Eltern aufgeklärt. Deshalb hätte ich nicht gedacht, daß es mir so peinlich sein würde, mit den beiden in unserem Stamm-„Bauhaus“ ein Klo kaufen zu gehen. Meine Eltern sind Hausbesitzer, und solche Menschen kennen sich in Sanitärfragen erfahrungsgemäß besonders gut aus. Daß wir ein neues Klo brauchen würden, hatten sie schon vor Wochen beschlossen. „Irgendwann ist so ein Klo einfach auf“, hatte meine Mutter gemeint. Und unser Klo war auf.

Bis dato hatten wir noch so einen Thron gehabt, wie man ihn vielleicht nur in Berliner Gründerzeitaltbauten kennt. Mit einem Holzpodest drunter, so daß man ein irritierendes bißchen erhöht sitzt. „Früher waren die Toilettenbecken insgesamt höher gebaut“, erklärte uns mein Vater die Funktion dieser altmodischen Hochsitze. „Die Klosettschüsseln der Nachkriegsjahre waren etwas niedriger, so hatten sie dann nicht mehr den richtigen Anschluß, von wegen Gefälle und so. Deshalb haben sie es einfach etwas unterbaut.“

Das mit den alten Anschlüssen, so seine Ausführungen, wäre jetzt aber alles kein Problem mehr. Die Industrie biete längst entsprechende Adapter-Muffen für die alten Abwasserrohre an, so daß alles wieder untereinander kompatibel sei. Um das Gefälle sollten wir uns keine Sorgen machen. Das werde schon reichen.

„Allerdings“, so meine Mutter, „solltet ihr auch an die Zukunft denken. Ihr bleibt auch nicht mehr so jung wie heute. Und im Alter ist so ein erhöhter Sitz gar nicht so unpraktisch. Besonders bei langen Sitzungen.“ Sie machte eine gewichtige Pause. „Man kommt anschließend besser wieder hoch.“

„Hier zum Beispiel!“ rief uns mein Vater quer durch das „Bauhaus“ herüber, während er einen imposanten Markensitz vom Regal zog und sich breitbeinig daraufsetzte. „Der ist etwas höher. Probiert doch mal.“ Wir dankten höflich, entschieden dann aber doch, bis zum Arthrosealter noch mindestens ein weiteres Klo aufzusitzen. Enttäuscht schob mein Vater das Prachtexemplar wieder an seinen Platz.

„Soll es denn ein Flach- oder ein Tiefspüler sein?“ fragte er, in seiner Kauflaune sichtlich gedämpft. „Wo wären denn da die Unterschiede?“ wollte meine Freundin wissen. „Nun ...“, dehnte mein Vater die Antwort etwas geniert in die Länge. „... mein Gott, da kann man doch offen drüber reden“, unterbrach ihn meine Mutter unwirsch. „In dem einen gibts Streifen, in dem anderen nicht.“ Und dann sei da eben die Sache mit dem Geruchsverschluß, ergänzte mein Vater leise. In dem einen Fall würde es einfach ins Wasser plumpsen, und weg. Im anderen Fall eben nicht.

„Und warum gibt es dann überhaupt noch Flachspüler?“ fragte meine Freundin kopfschüttelnd. „Weil der Plumps natürlich auch spritzen kann beim plumpsen“, antwortete meine Mutter nachsichtig. Und Stuhlproben von Tiefspülern zu entnehmen sei auch keine reine Freude. „Ich werde nie mehr gedankenlos auf einem Klo sitzen können“, stöhnte meine Freundin angesichts der vielen offenen Fragen. „Laßt euch ruhig Zeit“, besänftigte uns meine Mutter, während sie für uns einen weiteren WC-Sitz testete. „Schließlich ist das eine Entscheidung fürs Leben, die ihr da zu treffen habt.“