Fast entrückt

■ "Beautiful Losers"? Willy de Ville, Leonard Cohen und Marianne Faithfull wirken doch ganz gelassen (21.45 Uhr, arte)

Schmal ist der Grat, auf dem man im Rock'n'Roll-Business balanciert: Heldentod oder Sozialhilfe, VW-Sponsoring oder Tingeltangel durch Hinterzimmer. Marianne Faithfull, Leonard Cohen, Willy de Ville und Kevin Coyne sind Musiker, die Höhen und Tiefen in ihrem Rock'n'Roll-Leben kennengelernt haben, denen dabei aber nie der Sinn danach stand, sich ausverkaufen zu lassen.

Als „Beautiful Losers“ werden sie auf arte vorgestellt, und auch wenn sie weder Legenden noch Superstars geworden sind: Den Eindruck von Verlierern machen sie alle nicht. Bestückt mit Pferden und allem Pipapo ist das Anwesen, auf dem Willy de Ville Abstand vom Business bekommt.

Auch Marianne Faithfull, ganz Grande Dame und, wie es scheint, von keiner Ausschweifung gezeichnet, spricht von „Distanz“, die sie benötigt und die sie am meisten in ihrem neuen Zuhause in Irland bekommt. Leonard Cohen schätzt an seinem Wohnort Los Angeles die Anonymität und Leere. Den Menschen sei sowieso nicht gegeben, ein Zuhause zu haben.

Natürlich können die Porträts nur anreißen, was den Musikern widerfuhr. Vermittelt wird, daß alle Beautiful Losers weit über dem stehen, was ihr Business heute ausmacht: Ruhe, Reife und Altersweisheit galore. Es geht um Heimat, um Drogen, um alte Träume und neue Hoffnungen, um die Liebe zum Rock'n'Roll und nur am Rande um das Hecheln nach Erfolg und Ruhm.

Willy de Ville freut sich darüber, weder Michael Jackson noch Jonny Thunders geworden zu sein, „eine Schande wäre es nur aufzugeben“. Für Marianne Faithfull ist es das Wichtigste, „sich nicht von den Schweinen unterkriegen zu lassen“, und der 63jährige Leonard Cohen hält zwar seine Karriere für „sehr bescheiden“, freut sich aber über das neue Interesse Jüngerer an seinem Werk. Das gebe der „ganzen Quälerei“ einen Sinn. Überhaupt Leonard Cohen. Schon seinetwegen lohnt das Einschalten. Er sieht klasse aus, strahlt Sympathie und Gelassenheit aus, wirkt fast ein wenig entrückt. Cohen sei weniger ein Musiker als ein großer Dichter, sagt Willy de Ville. Subtil, differenziert und nachdenkenswert sind die Äußerungen, die Cohen über sich und sein Schaffen macht. Gerrit Bartels

Im Anschluß an die Dokumentation „Beautiful Losers“ läuft der Spielfilm „Candy Mountain“ (23.20 Uhr) und dann drei Filme über und mit Kevin Coyne (ab 00.50 Uhr)