■ Querspalte
: Janissimo und das Haufendorf

Als Jan Ullrich am Sonntag endlich ins Ziel und „ins Geschichtsbuch“ strampelte, blühten die Metaphern wie der Löwenzahn auf schwäbischen Streuobstwiesen: üppig. Der deutsche Pedalentreter sei „wie der Eiffelturm, der die Häuser von Paris überrage“, säuselte freudetrunken Anekdotenkönig Watterott ins öffentliche Anstaltsmikrophon, der uns im Laufe der Tour 18mal erzählt hatte, wie eine streunende Katze dem italienischen „elefanto“ (wegen der großen Ohren) Marko Pantani ins Räderwerk lief und 19mal, daß Altmeister Anquetil leider an „Kräps“ gestorben ist. Sodann griff er tief in Sportreporters Schatzkästlein: Nach Max Schmelings Triumph 1930, nach der Fußballweltmeisterschaft 1954 und Bobbeles erstem Wimbledon-Sieg 1985 sei dies das „vierte große Radsportereignis“.

Derweil jaulte der Medienschaffende Herr Emig aus dem Tumult: „Die reißen mir den Kopf ab!“, was so schlecht gar nicht gewesen wäre. „Was fühlen Sie jetzt“, fragte er die pinkfarbene „Frau Becker“ (gemeint war Ullrichs Mutter), um dann virtuos Freundin Gabi zu entlocken, wie „ihr Gefühl“ jetzt sei. Von Frau Zabel wollte er „ihre Gefühle – was geht da in einem vor?“ – rapportiert haben, um final dem Manager, dem Trainer sowie den Herren Ullrich und Zabel mit der Frage: „Das muß doch ein unglaubliches Gefühl sein“, zu nahe zu treten.

Zabel-Sohn Rick (2) sollte auch was sagen, verweigerte aber, weil offenbar gefühllos, jegliche Auskunft.

Während der stinkende Ullrich „nur noch Duschen“ wollte, aber nicht durfte, informierten Live-Schaltungen aus Merdingen über die Gefühlslage an der Heimatfront. „Der Gasthof Engel wurde schon 1453 erbaut“, überschrie der Reporter die grölenden Badenser. Diese großartige Mitteilung komplettierte das Statistische Landesamt gestern morgen: „Merdingen“, so erfahren wir, ist „ein geschlossenes Haufendorf, dessen wichtigste Straße die Langgasse ist, an der sich die Höfe dicht aneinanderreihen.“

Wir geben zurück in die geschlossenen Anstalten. Manfred Kriener