„Rote Khmer existieren nicht mehr“

■ US-Journalist berichtet vom Prozeß gegen Pol Pot. Hun Sen spricht von einem politischen Schachzug

Phnom Penh (rtr) – Die Roten Khmer haben ihren Chef Pol Pot nach Ansicht des US-Journalisten Nate Thayer entmachtet. Der Schauprozeß gegen Pol Pot sei keine List, Pol Pot sei am Ende, sagte Thayer, der nach eigenen Angaben bei dem Prozeß im Norden Kambodschas dabei war, gestern. „Die Roten Khmer, wie wir sie kannten, existieren nicht mehr“, erklärte er.

Pol Pot sei den Tränen nahe gewesen, als ihn seine ehemaligen Kameraden am Freitag verurteilt hätten, erklärte Thayer, der als Korrespondent für die Far Eastern Economic Review arbeitet. Der Rote-Khmer-Chef habe krank gewirkt und in einfachen Bauernkleidern schweigend auf die Urteilsverkündung gewartet. Nach der Verurteilung zu lebenslanger Haft habe er nur mit Hilfe aufstehen und weggehen können. Pol Pot war zuletzt Ende 1979 in der Öffentlichkeit gesehen worden, kurz nachdem Vietnam seiner Herrschaft als Ministerpräsident und KP-Chef ein Ende gemacht hatte. In Kambodscha kamen während Pol Pots Diktatur von 1975 bis 1979 mehr als eine Million Menschen ums Leben.

Dagegen bezeichnete der Zweite Ministerpräsident und derzeitige Machthaber in Kambodscha, Hun Sen, den Prozeß als politischen Schachzug der Roten Khmer. Pol Pot führe weiter die Truppen der Roten Khmer an. Der Streit über den Umgang mit den Roten Khmer war ein wesentlicher Grund, warum der Sozialist Hun Sen am 6. Juli seinen monarchistischen Koministerpräsidenten Norodom Ranariddh entmachtete. Hun Sen hatte verhindern wollen, daß der Prinz seinen Einfluß durch eine Allianz mit den Roten Khmer stärkt.

Hun Sen erklärte gestern, er sei bereit, demnächst einen neuen Sondergesandten des südostasiatischen Staatenverbundes Asean in Kambodscha zu empfangen. Er sagte jedoch nicht, welche Rolle die Asean bei der Lösung der Krise in seinem Land spielen solle. Hun Sen hatte bisher ein Vermittlungsangebot der Asean abgelehnt.

In Phnom Penh tagte das Parlament gestern erstmals seit sechs Monaten wieder. 97 Abgeordnete waren zugegen; 18 sind geflohen. Staatschef Chea Sim lobte zu Beginn der Sitzung die Regierung für die Niederschlagung der Roten Khmer und die Entmachtung Ranariddhs. Nächste Woche soll Außenminister Ung Huot als dessen Nachfolger gewählt werden.