Waigels Bumerang

■ Eine schiefe Debatte: Zahlt Bonn zuviel an die EU?

Wir zahlen zuviel an die EU, sagt Theo Waigel und bekommt endlich einmal von allen Seiten Beifall. Waigel weiß auch schon, wie das geändert werden kann. Er will die Reform der EU- Strukturfonds blockieren, bis Deutschland sieben Milliarden Mark weniger bezahlen muß. So einfach ist das. Als Vorbild dient der Beitragsrabatt, den Maggie Thatcher in den 80ern herausgeschlagen hat. Allerdings: Thatcher konnte hart bleiben, weil sie von der EU nichts wollte. Bonn dagegen will dauernd etwas: die rasche Aufnahme Polens, hohe Getreidepreise für die Bauern, die Europäische Zentralbank in Frankfurt und größere Sparanstrengungen der Partner für den Euro. Lauter Forderungen, die viel Geld und Kraft kosten.

Die EU ist keine Sparkasse, wo man einzahlt und genausoviel wieder zurückbekommt. Sie ist ein Verein, in den derzeit alle EU-Regierungen 1,20 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes einzahlen, um politisch gesetzte Ziele zu finanzieren. Und wenn neue Ziele formuliert werden, steht Deutschland immer in der ersten Reihe.

Die ganze Nettozahler-Diskussion ist etwas abwegig. Sie berücksichtigt nur die direkten Finanzströme. Aber wer profitiert von der Osterweiterung, und wie viele Milliarden ist sie uns wert? Das taucht da gar nicht auf. Wer am EU-Beitrag sparen will, muß die Ausgaben der EU unter die Lupe nehmen. 50 Prozent schluckt beispielsweise allein der Agrarhaushalt. Knapp ein Drittel davon zahlt Bonn, obwohl Deutschland nur 13 Prozent der europäischen Bauern stellt. Für jede Mark, die der deutsche Landwirtschaftsminister in Brüssel für seine Bauern erkämpft, gehen sieben Mark in die Nachbarländer. Und Jochen Borchert kämpft hart. Aber da will Waigel nicht ran. Daß er ausgerechnet die Reform der Strukturfonds als Geisel nehmen will, ist schon fast lustig. Die Unterstützung der Spanier ist ihm sicher. Denn die Reform ist die Voraussetzung für die Osterweiterung, sie soll die Förderung wirtschaftlich schwacher Gebiete in Westeuropa drosseln. Und Spanien hat wenig Lust, für Polen auf EU-Hilfe zu verzichten.

So wird Waigels Steilvorlage für Madrid zum Bumerang. Manche EU-Partner werden demnächst fragen, was Deutschland wichtiger ist: sieben Milliarden oder die Osterweiterung.

Alois Berger Bericht Seite 2