Gott ist gnädig, die CSU nicht

■ Drei CSU-Bundestagsabgeordnete auf geistig-moralischem Sommerkreuzzug: Gotteslästerungsverbot verschärfen! Grüne empört: Geltende Bestimmungen reichen

Berlin (taz) – Die CSU-Bundestagsabgeordneten Norbert Geis, Benno Zierer und Johannes Singhammer haben gestern in Bonn die Verschärfung des Paragraphen 166 Strafgesetzbuch („Gotteslästerung“) gefordert. Ginge es nach den bayerischen Politikern, braucht es künftig nicht mehr die „Störung des öffentlichen Friedens“, um einen Straftatbestand der Gotteslästerung zu erfüllen. Mit Gefängnis oder einer Geldbuße könnte dann schon bestraft werden, wer grundsätzlich „öffentlich oder durch das Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer beschimpft“ – mit entsprechend breiten Interpretationsspielräumen.

Sollten sich Union und FDP dem Vorschlag anschließen, würde schon ein individuelles Gefühl von Beleidigung reichen, um Staatsanwälte zu beschäftigen. Genau dagegen hatten sich bisher höchstrichterliche Urteile gewandt. 1993 befand das Bundesverfassungsgericht: „Das Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung gibt weder den Religionsgesellschaften noch deren Mitgliedern einen Anspruch darauf, daß der Staat durch seine Gerichte eine – auch scharfe – öffentliche Kritik an ihrer Tätigkeit unterbindet.“

Die letzten Anstöße für die CSU-Politiker gaben Ereignisse, die sich nicht gegen das Glaubensbekenntnis von Menschen, wohl aber gegen amtskirchliche Praxis wandten und insofern auch keine Verurteilungen nach sich zogen. Geis, Zierer und Singhammer geißelten gestern nachdrücklich die sogenannte „Heiligsprechung“ des Transvestiten Charlotte von Mahlsdorf anläßlich des Papstbesuches 1996 in Berlin, aber ebenso eine künstlerisch inspirierte Nacktaktion auf einem Altar des Kölner Doms im Sommer '96. Insofern formuliere der Paragraph eine „tote Rechtsnorm“. Höchstens 30 Anzeigen erreichen jährlich die Staatsanwaltschaft, Verurteilungen gibt es nur selten. Für den Grünen Volker Beck, rechtspolitischer Sprecher seiner Partei, ist der Fall klar: „Die geltenden Gesetze reichen. Es braucht keine Extrawurst für die Kirchen.“ Jan Feddersen