Migration und Auswanderung in Hamburg als Kunstform

■ „Über Grenzen tanzen“– Hamburger Kampnagelfabrik zeigt in der zweiten Augusthälfte Choreographien aus acht Ländern

Das Thema Migration wird Jahre nach der sogenannten Asyldebatte und der Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes für Kulturschaffende wieder aktuell. Für den Herbst plant eine Gruppe Bremer KünstlerInnen, GaleristInnen und MusikerInnen eine Aktion namens „Fluchtzeiten“. Schon im August steht das gleiche Thema im Mittelpunkt des „Sommertheater Festivals“der Hamburger Kampnagel-Fabrik.

Unter dem Titel „Über Grenzen tanzen“stellen die VeranstalterInnen vom 15. bis zum 30. August Choreographien aus acht Ländern „auf“Kampnagel vor. TänzerInnen aus Australien, Belgien, Benin, Indien, Indonesien, Frankreich, Pakistan und Taiwan sollen zeigen, daß Migration – im Gegensatz zu dem von Politik und Medien vermittelten Bild – als Chance und Bereicherung begriffen werden kann.

„Migrationsbewegungen hinterlassen Spuren. Tanz ist vielleicht die sinnlichste Form, wie wir diesen Spuren folgen können“, erklärte Gabriele Naumann, die das Festival zusammen mit Dieter Jaenicke künstlerisch leitet. Damit begründete sie zugleich, daß sich das Festival diesmal auf Tanzstücke und Konzerte beschränkt und Schauspiel ausklammert. In den zwei Veranstaltungswochen wollten sie zeigen, was es heißt, „mit dem Körper in eine fremde Kultur zu tauchen“, und Zugang zu anderen, nicht-europäischen Entwürfen zeitgenössischen Tanzes schaffen.

Das taiwanesische Cloud Gate Theatre eröffnet das Festival am 15. August mit dem Stück Songs of the Wanderers. Inspiriert von den Praktiken indischer Pilger entwarf der Choreograph Lin Hwaimin im Bühnenbild auf 3.500 Kilogramm Reis ein „Stück der überirdisch schönen Bilder“, wie die FAZ befand. Für die Erneuerung des indonesischen Tanzes aus Ritualen steht das Sardono Dance Theatre; die Öffnung traditionellen indischen Tanzes hin zu westlichen Bewegungsformen ist in einem Projekt der Pakistanin mit dem Franzosen Jean-Marc Marcos zu beobachten. Die Choreographin Daksha Sheth bricht in Sarpagati die Kampfkunst Kalaripayattu mit erotischen Anspielungen. Koffi Kôkô integriert kultische Zeremonien seiner Heimat Benin in Tanzformen seiner Wahlheimat Paris.

Die in Belgien lebende, in Afrika aufgewachsene Nadine Ganase erforscht in ihrem jüngsten Stück das Verhältnis zwischen Tanz und Medien: Crossing the Border ist ein getanzter Dialog mit einer Videoaufzeichnung des Beat-Poeten Ira Cohen. Die jüngere Jugendkultur kommt mit HipHop, Break Dance und den Belgiern Hush Hush Hush auf die Bühne. Die Australian Dance Company unter der Leitung der Ex-Pina-Bausch-Tänzerin Maryl Tankard wird schließlich die europäische Erstaufführung ihres Stücks Inuk präsentieren.

Mit nur acht Produktionen im Hauptprogramm ist das 14. „Sommertheater Festival“kleiner als je zuvor. Finanzielle „Altlasten“würden dem mit 1,3 Millionen Mark subventionierten und über ein Gesamtbudget von 1,9 Millionen Mark verfügenden Festival zu schaffen machen, so Jaennicke. Umfangreich ist dagegen das Begleitprogramm: Mit dem Institut für Sozialforschung und dem DGB wurden Vortrags- und Diskussionsreihen zu den Themen Migration und Identität erarbeitet.

Chrstiane Kühl taz-Hamburg/ck