Nachgefragt
: „Der Film wird böswillig interpretiert“

■ Interview mit dem Stradivari-Filmautor Dirk Blumenthal

Am Montagabend lief der Film „Der Fall Stradivari“auf 3Sat, aus dem nach einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hamburg 90 Sekunden rausgeschnitten werden mußten. Umstrittene Szenen wie die Obduktion der Leiche der Geigenlehrerin Grevesmühl oder Szenen, von denen auch die Rundfunkratsvorsitzende Erlenwein meinte, sie seien vorverurteilend, wurden nicht ausgetauscht. Warum, wollten wir von Filmautor Dirk Blumenthal wissen.

taz: Wenn ich vermeiden will, daß meine Leiche bei der Obduktion gefilmt und dann im Fernsehen gezeigt wird – was muß ich tun?

Dirk Blumenthal: Keine Ahnung.

Wenn ich vermeiden will, daß bei einer Hausdurchsuchung bei mir Fernsehkameras dabei sind – was muß ich tun?

Wenn ich zu Hause bin – den Leuten, die da drehen wollen, sagen, sie sollen das Haus verlassen.

Wenn die Hausdurchsuchung ohne mein Wissen gemacht wird?

Dann kommt normalerweise ja auch kein Fernsehteam in die Wohnung.

Im Falle Stradivari ist das aber passiert. Die Szene von der Hausdurchsuchung des Geigers ist herausgenommen worden nach der Entscheidung des Landgerichtes, die Szene von der Hausdurchsuchung des Schubsers ist dringeblieben.

Unter anderem, weil wir in der Zwischenzeit eine Genehmigung dafür haben.

Eine offizielle Genehmigung?

Vom Anwalt des Betroffenen.

Das bedeutet: Filmaufnahmen von Hausdurchsuchungen darf man nur zeigen, wenn der Wohnungsinhaber das genehmigt?

Das kann ich nicht beurteilen, ich bin kein Jurist. Ich bin davon ausgegangen, daß ich filmen darf, wenn die Polizei mich mitnimmt. Unsere Hausjuristen waren auch dieser Meinung.

Es gibt den Vorwurf, daß der Film gegenüber dem Geigenschüler Vorverurteilung bedeutet. Mir ist beim Sehen der zweiten Fassung die Szene aufgefallen, in der der Geigenschüler nachts nach der Verhaftung bei der Kripo zum Verhör vorgeführt wird, an dieses Bild schließt der Satz eines Kripo-Beamten an: „Viele, die getötet haben...“, usw. Die Mordkommission philosophiert über die Psychologie von Mördern beim Verhör, scheinbar ganz allgemein. Ist das nicht implizite Vorverurteilung?

Das ist eine böswillige Interpretation, daß es da einen Zusammenhang gibt. Niemand behauptet, der Geigenschüler habe einen Mord begangen. Es geht um Geständnisse und Vernehmungsmethoden. Daß die Leute vom K 31 über Mörder reden, liegt schlicht daran, daß sie es oft mit der Vernehmung von Mördern zu tun haben. Von den Kritikern wird in diesen Film vieles hineininterpretiert, und er wird sehr selektiv wahrgenommen. Übrigens: „Zweite Fassung“hört sich an, als hätten wir jetzt einen anderen Film gesendet. Das ist falsch. Wir haben in dem Film das geändert, was wir aufgrund der leider endgültig gewordenen einstweiligen Verfügung ändern mußten. Diese 90 Sekunden haben an der zu Unrecht unterstellten „Tendenz“nichts geändert.

Das ist gerade das Problem, finde ich. Niemand weiß, wie das Gericht über ihn urteilt ...

.. ich auch nicht...

Warum wird der rumänische Geigenschüler als Monster dargestellt?

Wo denn?

Jemand, der aus Geldgier seine eigene Gönnerin an einen Raubmörder ausliefert, der dann ein Stück auf sie komponiert und damit kalt lächelnd 1.080 Mark verdient – das muß ein Monster sein.

Wo wird denn das gesagt?

In Ihrem Film.

Ich habe es eben schon gesagt: Das wird böswillig in diesen Film hineininterpretiert. Es ist nie Absicht des Films gewesen, jemanden vorzuverurteilen. Das sieht darin nur, wer es sehen will. Int.: K.W.