„Gewalt bringt Knast und Abschiebung“

■ Menschenrechtsverein will Krawalle zwischen Aussiedlern und Tamilen in Tenever beenden

Der „Internationale Menschenrechtsverein“versucht in Osterholz-Tenever, den Streit zwischen verfeindeten rußlanddeutschen Jugendlichen und Sri Lankanern zu schlichten. Grund war die gewalttätige Eskalation des Konflikts: Am Sonntag hatten Sri Lankaner Molotow-Cocktails gegen Rußlanddeutsche geworfen. Zwei der Angegriffenen liegen mit Brandverletzungen im Krankenhaus. Einem Sri Lankaner wirft die Polizei versuchten Mord vor. Ein ausreisepflichtiger Tamile geriet in Abschiebehaft. Über die Lage in Tenever sprach die taz mit einem Sri Lankaner vom Menschenrechtsverein.

taz: Wieso greifen Sie bei den Krawallen ein?

Viraj, Menschenrechtsverein: Wir wollen Flüchtlinge aller Nationalitäten zusammenbringen. Deren Probleme wie Angst vor Deportation, Mangel an Wohnung und Sprachschwierigkeiten sind doch dieselben. Auch die russisch-deutschen Jugendlichen werden nicht als gleichberechtigt akzeptiert. Deshalb hängen sie doch immer zusammen rum. Sie haben Probleme.

Wer kam zu Ihren „Friedensgesprächen“?

Zwölf Russen und sieben Leute aus Sri Lanka, plus die Übersetzer, ohne die wir uns ja kaum verständigen können. Das Treffen begann ziemlich erregt, jede Seite fühlte sich ja angegriffen, aber schließlich haben wir alle verstanden, daß die meisten Probleme aus Mißverständnissen und Gerüchten entstanden sind.

Wegen eines Mißverständnisses flogen Brandsätze?

Die Situation nach dem Unfall hat sich wegen verschiedener Mißverständnisse zugespitzt. Die tamilische Gemeinde weiß aber, daß der tote Tamile Opfer eines Unfalls war. Da war Alkohol im Spiel; es wurden Parolen gegen Russen gerufen, später griffen betrunkene Jugendliche die Sri Lankaner an – und als sie bei der Polizei um Rat fragte, half niemand. So wuchs bei den Sri Lankanern der Eindruck, zur Selbsthilfe aufgefordert zu sein. Wegen der Molotow-Cocktails gibt es noch Ungereimtheiten. Wir wissen noch nicht, woher diese Idee kam. Aber wir haben festgestellt, daß niemand Interesse an weiterer Gewalt hat. Sri Lankanern droht die Abschiebung, Russen der Knast. Wir lösen das Problem.

Sie sagen, „die tamilische Gemeinde“will das nicht. Wie werden Entscheidungen getroffen?

Es gibt 1.200 Tamilen in Bremen, die in ihrer Heimat verfolgt wurden. Wir helfen uns, wir wissen über einander Bescheid, auch wenn manche sich von der Gemeinschaft entfernt haben.

Die russischen Jugendlichen sagen, sie wollen keinen Frieden.

Ja, aber deren Mütter und Väter und auch junge Leute, die zu unserem Treffen kamen, sehen das anders. Die Tamilen haben angekündigt, daß sie gegen jede Aggresion, die Tamilen unternehmen, extrem hart vorgehen werden. Wir dulden keinen weiteren Streit.

Was heißt das?

Wir werden hart gegen Aggression vorgehen .

Was, wenn es doch Krawalle gibt?

Man soll uns Bescheid geben. Wir sind heute durch Tenever gelaufen und haben manche russische Jugendliche getroffen, die gesprächsbereit sind. Einige haben uns geholfen, einen Aufruf zur Beendigung der Streits ins Russische zu übersetzen. Neun Russen kamen in die Wohnung des Unfallopfers, um ihr Beileid auszusprechen.

Was denken Sie über die starke Polizeipräsenz in Tenever?

Wir haben das Gefühl, daß diese Intervention zu spät kommt. Zyniker sagen, daß jetzt die Tore für die Abschiebung von Tamilen nach Sri Lanka geöffnet werden, nachdem eine Zeitung von „Bandenkriegen“geschrieben hat. Und als eine „Bande“tauchten Tamilen auf. Natürlich denken alle, daß solche Leute abgeschoben werden sollen. Aber für uns ist das nach den langen Jahren, die wir hier geduldet wurden, entsetzlich. Aus Bremen wurde noch nie ein Tamile abgeschoben.

Fragen: Eva Rhode