Der Goldpreis ist so niedrig wie seit langem nicht mehr. Der Grund: Die Zentralbanken vieler Länder, darunter sogar das Förderland Australien, beliefern derzeit den Markt mit dem Edelmetall. Vom Verfall des Goldpreises am schlimmsten betrof

Der Goldpreis ist so niedrig wie seit langem nicht mehr. Der Grund: Die Zentralbanken vieler Länder, darunter sogar das Förderland Australien, beliefern derzeit den Markt mit dem Edelmetall. Vom Verfall des Goldpreises am schlimmsten betroffen ist Südafrika, immer noch der größte Goldproduzent der Welt.

Der große globale Goldaderlaß

An einem heißen Märztag 1886 fiel dem Gelegenheitsarbeiter George Harrison auf der Farm Langlaagte eine eigenartige Gesteinsformation auf. Niemand weiß, was ihm durch den Kopf ging, als er den Staub wegwusch und einen sensationellen Fund machte. Ebensowenig weiß jemand, was aus ihm geworden ist. Der Mann verschwand spurlos. Sein Bericht an die Regierung der Burenrepublik Transvaal jedoch löste den größten Goldrausch in der modernen Geschichte aus.

Wenige Jahrzehnte später war auf dem staubigen „veld“ eine Stadt entstanden, die jeden Superlativ schlägt: Johannesburg, in Zulu Egoli, die „Stadt des Goldes“, die jüngste Millionenstadt der Welt, die höchsten Wolkenkratzer Südafrikas, der größte Reichtum, die höchste Kriminalitätsrate. Seit ihrer hastigen Gründung ist Schnellebigkeit ihr herausragendes Merkmal. Nichts hat hier Bestand – außer Gold und Geld. Entlang der wertvollen Adern wucherte Johannesburg in die Breite, buchstäblich auf Gold gebaut.

Heute sind die Minen erschöpft, zumindest in einer Tiefe, in der Bergbau überhaupt noch möglich ist. Lediglich die giftiggelbe Mondlandschaft aus Abraumhalden zeugt von dem einstigen Boom. Der aber begründete den Reichtum Südafrikas, und die großen Bergbaukonzerne sitzen immer noch in Palästen aus Marmor, Glas und Stahl in der Johannesburger Innenstadt. Seit dem Sturz des Goldpreises an den internationalen Finanzmärkten allerdings herrscht dort nervöse Spannung. Noch immer ist das Land am südlichen Ende des schwarzen Kontinents der größte Goldproduzent auf der Welt. Die Zeiten, in denen Gold gleichsam ein Garant für wirtschaftliche Stabilität war, sind allerdings schon seit vielen Jahren vorbei. Um so empfindlicher reagieren am Kap die großen Bergbaukonzerne und die Börse auf Schwankungen im Goldpreis.

Immerhin fast 350.000 Arbeitsplätze hängen heute an der Goldindustrie. Zwar waren es vor zehn Jahren noch mehr als eine halbe Million. Sollte aber der Preis für die Feinunze Gold bei seinem derzeitigen Tiefstand von 327 US- Dollar bleiben, wird in Südafrika mit einem Verlust von Zehntausenden weiteren Jobs gerechnet. „Mindestens 50.000 Arbeitsplätze sind dann gefährdet“, warnt der Chefökonom des Bergbauverbandes, Roger Baxter.

Die erste schwarze Regierung unter Präsident Nelson Mandela trifft das an einer empfindlichen Stelle. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit war eines der zentralen Wahlversprechen des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC). Doch auch drei Jahre nach dem Machtwechsel am Kap ist die Arbeitslosenrate bei fast 40 Prozent unverändert hoch. Jeder Minenarbeiter, so schätzt die Bergbaugewerkschaft NUM, unterstützt mit seinem Gehalt durchschnittlich sieben bis zehn von ihm abhängige Familienmitglieder. Manche Ökonomen warnen nun gar vor der schlimmsten sozialen Krise in Südafrika überhaupt.

Tatsächlich forderte der Verfall des Goldpreises schon erste Opfer. Anfang Juli wurde ein Bergwerk geschlossen, das Goldstaub filtert. Neue Hiobsbotschaften folgen fast täglich. Die East Rand Propriety Mines, eine der ältesten Minen des Landes, wird voraussichtlich ebenfalls den Betrieb einstellen. Aus der Zeitung erfuhren die fast 5.000 Arbeiter und Angestellten, daß sie ihre Jobs bald los sein werden. Die jüngsten Bilanzen der großen Konzerne mit sinkenden Umsatzzahlen lassen die Alarmglocken noch schriller läuten.

Ganz überraschend kommt die jetzige Krise nicht, und zu einem erheblichen Teil ist sie hausgemacht. Seit dem letzten großen Boom vor 27 Jahren ist die Goldproduktion in Südafrika beständig gesunken. Wurden 1970 noch über 1.000 Tonnen jährlich gefördert, sind es heute weniger als die Hälfte. Noch zu Beginn der achtziger Jahre machte Gold die Hälfte der Exporte aus, heute sind es nur noch 20 Prozent. Sieben der 38 Goldminen arbeiten derzeit mit Verlusten, zwei wirtschaften an der Rentabilitätsgrenze.

Zwar gilt die Schließung von ganzen Bergwerken auch in Südafrika als Ultima ratio; in einzelnen Fällen würden damit ganze Landstriche arbeitslos. Doch die Produktion ist in Südafrika besonders teuer, arbeitsintensiv und gefährlich, weil das Gold aus bis zu vier Kilometer Tiefe geholt werden muß – anders als in den USA und Australien, wo es im Tagebau gefördert werden kann. Bei Temperaturen von 60 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent sind die Arbeitsbedingungen inhuman und die Sicherheitsvorkehrungen miserabel. Erst letzte Woche sind 18 Bergleute in einem Schacht verschüttet worden und dabei ums Leben gekommen.

Davon, die Minen sicherer zu machen, spricht indes derzeit niemand mehr. Statt dessen kommen die Wirtschaftsfachleute zum Zuge, die schon seit Jahren eine Erhöhung der Produktivität in den Schächten fordern. „Nur wer mit Gewinnen wirtschaftet, kann überhaupt ein Bergwerk betreiben“, warnt Roger Baxter vom Bergbauverband vor möglichen weiteren Schließungen.

Gleichzeitig mit der großen Krise haben Gewerkschaften und Arbeitgeber allerdings tarifpolitisches Neuland beschritten. In einer Anfang Juli getroffenen Vereinbarung wurden erstmals Mindestlöhne an eine Produktivitätssteigerung gekoppelt. Rückwirkend vom 1. Juli diesen Jahres an verpflichten sich die Gewerkschaften, die Produktion innerhalb eines Jahres um 90 Tonnen zu steigern. Die Konzerne garantieren im Gegenzug Lohnsteigerungen von durchschnittlich zehn Prozent. Offen bleibt dabei, wer dieses Gold eigentlich kaufen soll. Kordula Doerfler, Johannesburg