Ende der Blockade

■ Die USA modifizieren ihre erstarrte Iranpolitik

Der Schwenk war zu erwarten, und er war überfällig. Wenige Tage vor der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Chatami hat US-Präsident Clinton signalisiert, daß die USA bereit sind, ihre bisherige Blockadepolitik gegenüber dem Iran zu modifizieren. Clinton, so heißt es aus Washington, habe keine Einwände mehr gegen den Bau einer neuen Erdgaspipeline von Turkmenistan über den Iran in die Türkei.

Das ist ein entschiedener Kurswechsel. Denn als der damalige türkische Ministerpräsident Erbakan vor gut einem Jahr den Vertrag zum Bau der Pipeline in Teheran unterschrieb, drohten selbst die traditionell guten Beziehungen zwischen der westlichen Vormacht und ihren Schützlingen in Ankara zu zerbrechen – so sehr ereiferte sich Washington über den Deal unter den Islamisten. Jetzt ist Erbakan aus dem Amt, und in Teheran kommt Chatami. Und die Gaspipeline ist eine gute Gelegenheit für die USA, aus der Sackgasse ihrer Iranpolitik herauszukommen.

Unabhängig davon, ob man nun den amerikanischen Versuch, den Iran weltweit zu isolieren, für erfolgreich oder kontraproduktiv gehalten hat – die Wahl Chatamis zeigt, daß im Iran etwas in Bewegung gekommen ist. Darauf muß die Welt reagieren. Es ist kein Zufall, daß dieses Signal nun auf dem Energiesektor erfolgt. Die bisherige Weigerung der USA, den Iran in die Ausbeutung der kaspischen Öl- und Gasfelder miteinzubeziehen, drohte Länder wie Aserbaidschan, Turkmenistan und Kasachstan wieder in die völlige Abhängigkeit von Rußland zu drängen. Denn um ihr Öl und Gas auf den westlichen Markt zu bringen, müssen sie sich mit Rußland einigen.

Wenn die USA das russische Monopol brechen wollen, brauchen sie den Iran. Die Öl- und Erdgasvorkommen rund ums Kaspische Meer sind die weltweit größten nach denen auf der Arabischen Halbinsel. Hier entscheidet sich die Kontrolle über die fossile Energieversorgung für das kommende Jahrhundert. Schon deshalb haben einflußreiche Kreise in Washington seit längerem auf einen Schwenk in der amerikanischen Iranpolitik gedrängt. Die US- Ölkonzerne dürften die Wahl Chatamis deshalb genauso gefeiert haben wie die meisten Iraner. Man kommt wieder ins Geschäft. Endlich. Jürgen Gottschlich

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