After Dark, My Sweet Von Thomas Gsella

Okay, es war einer jener Tage. An denen du aufwachst und weißt: Wenn du den überlebst, dann kann dich keiner mehr. Dann bist du unsterblich, harte Tage, Mann, an denen dir die Seele in die Speiseröhre krabbelt, Blumen grau sind und die Wolken steinern. Im Büro gab's den üblichen Modder. Anfragen, so dumm wie zeitraubend, schlechter Kaffee und zu starke Zigaretten. „Kollege“ Sonneborn spielte „Vorsicht, Bombe im Irrgarten!“ oder wie immer diese Computerspiele heißen, mit denen krumme Kreaturen Arbeit in Leben verwandeln wollen und längst nicht mehr merken, daß sie beide vernichten. Ich nahm es hin wie eine beschissene Katastrophe, wie den gottverdammten Mississippi, der nachts über die Ufer tritt und den Schlamm zurückspuckt, den die Menschen ihm einbrocken. Es war kaum halb elf, da wußte ich, wo dieser Tag enden würde: im Bahnhofsviertel („Puff“). Wenn Schlamm in dir aufsteigt, hast du zwei Möglichkeiten: die Couch eines verrückten Psychiaters oder eine Frau, die blöd genug ist, dir deinen Dreck abzunehmen. Es gibt eine dritte: Du spülst ihn mit Bourbon runter oder wenigstens Weißweinschorle.

Neun Stunden später hing ich in einer jener billigen Bars, die den Auswurf der Städte mit Sprit versorgen. Alkis, Zuhälter, Freier, Zocker, Gestalten ohne Gesicht und Geschichte – ein Eldorado für ihre feigeren Brüder, die Bullen. Bullen, das sind Killer ohne Mut. Sie jagen ihr besseres Ich, nur darum sind sie so manisch, meine Damen und Herren. Die Kneipen verschwammen zu einer einzigen saugenden Theke, und als es hell wurde, sah ich Gläser doppelt, und mein Hirn war ein stinkender tropfnasser Schwamm. Der Kellnerin, einer vor Trauer und Ekel halb wahnsinnigen Polin, schob ich hundert Dollar, quatsch: Mark rüber und schlich in den blaugrauen Morgen. Zwei halbe Kinder hielten mir ein blitzeblankes Mountainbike mit 1a Shimanoschaltung vor die Fresse. „Du wolle kaufe? Isse gestohl, aber gutt!“

„Ja sel... selverschändlich.“ Hey, okay, ich war rund wie ein Fußball, aber es paßte wie Gold in ein Zahnloch. Acht Tage vorher war mein Rad von einer Profibande aus dem Schloß gesägt worden, hier funkelte die fällige Revanche in picobello schwarzem Lack und alles. Zwei Straßen weiter wartete mein Opel, und der Kofferraum war groß. „Ich hab' noch“, lallte ich und spuckte aus Versehen eine ungerauchte Kippe in die Gosse, „35 Mark; der Rest ist wechgesüppelt – hups!“ – „Aah, mache nix! Okay, isse nich viel, aber... isse noch Geld in Hose vielleicht?“ Weiß der Teufel, woher diese Jungs ihren Röntgenblick haben. Torkelnd griff ich in die Jeansarschtasche, blätterte meine letzten Taler hin und rechnete: 37,35, das war doch immer noch ein Spitzenpreis – und die zwei Babygangster offensichtlich vollbestußte Deppen, hähä! Der Depp mit meinem Geld marschierte jetzt auch stramm nach links, der andere bestieg mein Fahrrad und trampelte nach rechts. Nein, diese Blödel! Wie war denn da noch eine ordentliche Warenübergabe möglich! „Ha-hallo!“ rief ich und kippte gegen eine hochwillkommene Laterne, „so-sofort wieder herkomm!“ Die Gangster wurden immer kleiner. „Huhu, hi-hier bin ich! Hilfe! Polizei!“ Dann waren sie verschwunden. Moral: Na, das wird mir aber eine Lehre sein!