Manche rauchen sogar noch

New-Jersey-Trilogie: In „Chasing Amy“, Kevin Smiths drittem Slacker-Film, ereignet sich veritable Freundschaft. Adams ist bezaubernd  ■ Von Thomas Winkler

Wo sind sie hin, die Slacker, die verlorenen Seelen? Richard Linklaters Film und Douglas Couplands Buch gaben ihnen Gesicht, doch als Beck mit „Loser“ die Erkennungsmelodie geliefert hatte, war schon längst wieder alles vorbei. Diese Generation war so ohne Zukunft, daß sie einen Weltrekord in Kurzlebigkeit aufstellte und sich schon in dem Moment verabschiedet hatte, als ihr Fell ebenso amüsant wie weichzeichnerisch in „Reality Bites“ zu Markte getragen wurde. Die Hoffnungslosen hörten dann doch noch auf abzuhängen, fanden einen Job in einer Fast-food-Kette oder im mittelständischen Betrieb ihres Vaters und schlugen sich statt dessen die Wochenenden mit Techno und Ecstasy um die Ohren.

Die wenigen bekennenden Überlebenden scheinen sich allein noch in den Filmen von Kevin Smith zu tummeln. Nichtstuer und Tagträumer diskutieren ausführlich, ob die Zerstörung des zweiten, unvollendeten Todessterns in der Star-Wars-Trilogie politisch korrekt war, schließlich seien ja wohl auch Horden von unbeteiligten Bauarbeitern dabei ums Leben gekommen. Solch existentielle Fragen werden hier gestellt und mit einem knappen Rülpser beantwortet. Manche Menschen rauchen sogar noch Zigaretten.

Sein 24.000 Dollar billiges und erfolgreiches Debüt „Clerks“ promotete Smith als ersten Teil einer New-Jersey-Trilogie, einfach weil das „bei George Lucas funktioniert hat“. Mit dem Sechs-Millionen-Dollar-Flop „Mallrats“ und nun „Chasing Amy“ hat er sie vervollständigt. Und daß aus dem Wunschdenken tatsächlich eine Trilogie wurde, hat seinen Grund darin, daß Smith seine Drehbücher jeweils mit dem gleichen Kameramann und Produzenten und sogar mit ähnlichem Personal verfilmte. Wie ein Brandzeichen ziehen sich durch alle drei Filme sogar die Auftritte des ungleichen Paares Jay und Silent Bob: der eine ein ewig Pott rauchendes Plappermaul, der andere, gespielt von Smith selbst, auf ewig schweigsam.

Auch in „Chasing Amy“ bleiben die Fragen dieselben, nur die Protagonisten wurden mit ihnen älter. Wieder einmal gibt es eine Männerfreundschaft, auch wenn diese Männer inzwischen erfolgreich ihr Hobby zum Beruf gemacht haben: Holden und sein Sandkastenfreund Banky sind Comic-Autor und -Zeichner; ihr Buch heißt „Bluntman und Chronic“. Und wieder passiert dem Slacker das denkbar Schlimmste: Sein Leben droht in Unordnung zu geraten. Holden verliebt sich in die lesbische Alyssa, Alyssa verliebt sich auch, man versucht's miteinander, Banky ist eifersüchtig, die lesbischen Freundinnen verständnislos und das Chaos komplett.

Silent Bob spricht!

Doch wie bei allen Smith-Filmen – in „Clerks“ wundervoll, in dem weniger dialoglastigen „Mallrats“ eher mißlungen – ist die erzählte Geschichte zwar tragfähig und bietet Anlaß fürs Purzeln der Screwballs, aber dient doch vor allem als Hintergrundfolie für die vielen kleinen, sonst nebensächlichen Details: noch ein Geschichtchen erzählt, noch ein Minierzählstrang aufgemacht. Die rührendste Geschichte hat er sich selbst vorbehalten, als Silent Bob dann doch noch sein fast drei Filme währendes Schweigen bricht und dem Film den Titel gibt.

Den Schauspielern merkt man an, wie befreiend es sein kann, ziemlich genau sich selbst darzustellen. Zwar bleibt Ben Affleck als Holden eher bläßlich, aber das ist kein Wunder neben dem grandios griesgrämigen Jason Lee als Banky und vor allem Joey Lauren Adams. Deren Alyssa hat die dreckigste Lache seit der Erfindung des unanständigen Witzes und eine unbeschreibliche Stimme: Hier wird Synchronisation zur Sünde. Man merkt, daß Smith bei der Rolle Adams, seine Lebensabschnittsbegleiterin seit „Mallrats“, vor Augen gehabt hat. Leider geht ihm hin und wieder das Tempo verloren. 20 Minuten weniger und „Chasing Amy“ hätte das Versprechen eingelöst, das die so charmanten wie rüden „Clerks“ gegeben haben.

„Chasing Amy“ B&R: Kevin Smith. Mit: Ben Affleck, Joey Lauren Adams, Jason Lee. USA 1997