„Das Ansehen des Präsidenten sinkt beständig“

■ Interview mit Ghassan Khatib, Direktor des Jerusalem Media and Communication Center

taz: Nehmen Sie den Bericht über Korruption in der Autonomiebehörde und die Empfehlungen der Untersuchungskommission ernst?

Ghassan Khatib: Sehr ernst. Es sind grundlegende Untersuchungen, die die Abgeordneten angestellt haben, und sehr konkrete Schlußfolgerungen und detaillierte Beschuldigungen, die gegen einzelne Minister erhoben wurden. Das Parlament hat eine beachtenswerte Untersuchung durchgeführt mit der durchaus mutigen Forderung, das gesamte Kabinett zu entlassen und Minister anzuklagen.

Glauben Sie, daß diese Forderungen auch umgesetzt werden?

Nein, das erwarte ich nicht. Die Untersuchungskommission hat bisher ihre Berichte dem Präsidenten vorgelegt, ohne daß irgendwelche Konsequenzen gezogen worden sind. Allerdings gibt es hartnäckige Gerüchte, wonach der Präsident beabsichtigt, das Kabinett umzubilden. Es könnte also sein, daß in diesem Zusammenhang einzelne Minister entlassen werden. Aber daß dies auf der Grundlage des Berichts geschieht, ist eher unwahrscheinlich. Bestenfalls werden unbedeutendere Teile des Berichts umgesetzt, um nach außen hin den Eindruck zu erwecken, daß etwas geschieht.

Ist das Ansehen der Autonomiebehörde und Arafats selbst jetzt beschädigt worden?

Aus unseren Umfragen geht klar hervor, daß das Ansehen des Präsidenten und der gesamten Regierung beständig sinkt. Ebenso das Vertrauen in die Abkommen, die diese Regierung geschlossen hat. Dieser Abwärtstrend dürfte sich jetzt noch verstärken. Das kann der Präsident nicht einfach ignorieren. Auch von daher erwarte ich, daß es einige Veränderungen geben wird, allerdings keine grundlegenden, die die dargelegten Probleme, vor allem das der Korruption, wirklich lösen.

In dem Bericht werden die sogenannten Monopole der Autonomiebehörde mit keinem Wort erwähnt. Wieso nicht?

Dies kann meiner Ansicht nach zweierlei Gründe haben. Die Monopole stehen in direkter Verbindung mit dem Präsidenten. Es könnte sein, daß die Parlamentarier gar nicht den Mut hatten, den Präsidenten in die Kritik einzubeziehen. Andererseits ist es auch denkbar, daß den Parlamentariern schlicht die Kenntnis über die Monopole fehlte. Es ist ja außerordentlich schwierig, in diesem Zusammenhang an Informationen zu kommen. Es könnte durchaus sein, daß die Kommission niemanden gefunden hat, der zu einer Aussage bereit gewesen wäre.