piwik no script img

Haft mit Vorbewährung

■ Jugendgericht verurteilt 20jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung

André L. stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Er muß vorerst nicht ins Gefängnis. Zu zwei Jahren wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verurteilte ihn gestern zwar das Jugendgericht. Ob er die Strafe aber absitzen muß, entscheidet sich erst nach einem halben Jahr „Vorbewährung“auf freiem Fuß. Die Staatsanwältin hatte drei Jahre und neun Monate Gefängnisstrafe gefordert.

Zusammen mit zwei Verwandten hatte André L. (20) im Januar vergangenen Jahres im Farmsener Billardlokal „Tam-Tam“den heute 22jährigen Marc H. und die Wirtin überfallen. Durch einen Stich in den Rücken wurde Marc H. dabei schwer verwundet und sitzt seitdem im Rollstuhl.

Trotz der Bewährung sprach der Jugendrichter von einer „hohen Strafe“. Obwohl nicht geklärt werden konnte, welcher der Tatbeteiligten zustach, trage André L. eine „Mitverantwortung“an den gravierenden Folgen. „Schlimmer Kern“des Überfalls sei, daß er „gezielt und planvoll“erfolgte, da André L. nach einem Streit telefonisch bewaffnete Verstärkung organisiert hatte. Andererseits habe der Angeklagte „positive Ansätze von Reue und Einsicht“gezeigt. „Die Bewährung müssen Sie sich jetzt verdienen“, ermahnte der Richter.

Das Opfer Marc H., der als Nebenkläger an dem Verfahren teilnahm, verfolgte die Urteilsverkündung mit gemischten Gefühlen. Sein Anwalt hatte ebenfalls nur auf Bewährung plädiert und damit maßgeblich zu dem gestrigen Ergebnis beigetragen. „Vom Gefühl her hätte ich es mir zwar anders gewünscht“, kommentierte der 22jährige Rollstuhlfahrer das Urteil, „aber so ist es wahrscheinlich das richtige.“Seinen milden Strafantrag begründete der Nebenklagevertreter damit, daß er im Verlauf des Verfahrens „die Hoffnung“gewonnen habe, der Angeklagte sei „noch sozial zu integrieren“. Die Staatsanwältin dagegen zeigte sich mit dem Urteil „unzufrieden“und schloß eine Berufung nicht aus.

Heike Dierbach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen