45 Quadratmeter Deutschland

Behörde senkt die Standards für städtische Wohnraumversorgung: Nur noch winzige, alte Löcher für SozialhilfeempfängerInnen  ■ Von Heike Haarhoff

SozialhilfeempfängerInnen in Hamburg sollen künftig nur noch Anspruch auf kleine, alte, öffentlich geförderte Wohnungen haben. Bisherige Standards der städtischen Wohnraumversorgung – Größe, Miethöhe, Alter oder Ausstattung – werden aus Kostengründen empfindlich gesenkt. Das geht aus einem Schreiben der Sozialbehörde an die sieben bezirklichen Sozialämter hervor, das der taz vorliegt.

Ziel ist, die städtischen Mietausgaben für SozialhilfeempfängerInnen zu senken. Und zwar exakt mit den Instrumenten, die der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht 1997 empfohlen hat. „Die Anregungen des Rechnungshofes stimmen mit den Vorstellungen der Sozialbehörde überein“, heißt es in dem Schreiben. Die Bezirke werden aufgefordert, die Anweisungen „bereits jetzt zu berücksichtigen“.

SozialhilfeempfängerInnen seien „auf Wohnungen zu verweisen, deren Wohnfläche sich im unteren Bereich der für den öffentlich geförderten Wohnungsbau maßgeblichen Spannen bewegt“. Im Klartext: Einkommensschwachen sind ausschließlich die kleinsten Sozialwohnungen vorbehalten. Ein verheiratetes Paar hat in Zukunft also Anspruch auf 45 Quadratmeter.

„Das ist eine Benachteiligung von Wohnungssuchenden aufgrund ihres Status“, empört sich die wohnungspolitische Referentin der GAL, Andrea Luksch. Die Chancen der Sozialhilfeempfänger „auf dem ohnehin knappen Markt preiswerter Wohnungen“sänken damit noch mehr. Doch das sei erst der Beginn des „Wohnens zweiter Klasse“, warnt GAL-Sozialreferent Dirk Hauer: Wer so arm ist, daß er seine Wohnung nicht ohne staatliche Stütze finanzieren kann, braucht nämlich nach Auffassung der Sozialbehörde auch keinen Neubau. Sozial Schwache sollen nur noch im Altwohnungsbestand untergebracht werden: „Erstbezugswohnungen gleicher Größe dürften im Regelfall teurer sein.“

Gleiches gilt für freifinanzierte Wohnungen. Die Miete hierfür will die Stadt nur noch in Ausnahmefällen übernehmen. Besser sei es, das „Potential an kostengünstigen Wohnungen zu nutzen“– um das sich die SozialhilfeempfängerInnen im Zweifel selbst kümmern sollen: „Der Hilfeempfänger hat sich um derartige Wohnungen ernsthaft zu bemühen; erforderlichenfalls muß er von der Sozialdienststelle in diesem Sinne aktiv beeinflußt werden.“Hauer: „Das kommt einer Androhung auf Mittelkürzung gleich.“

Auch das „Wohnungsbindungsgesetz“soll ab sofort für die meisten nicht mehr gelten: Das sah bisher vor, daß der freiwillige Auszug aus einer „unterbelegten Sozialwohnung“, weil beispielsweise einer der Bewohner gestorben war, mit ein paar mickrigen Zusatz-Quadratmetern über der sozialwohnungspolitischen Richtlinie belohnt wurde. Die Behörde widerspricht: Es „besteht kein sachlicher Grund, dem Hilfeempfänger zusätzlichen Wohnraum zuzubilligen“.

Wohn-Genossenschaftsanteile will die Stadt ebenfalls nicht länger sozial Schwächeren finanzieren. „Auch das schränkt das Wohnungsangebot ein. Genossenschaftswohnungen sind dann für diese Menschen tabu“, kritisiert GALierin Luksch. Kein Sozialhilfeempfänger könne es sich leisten, die Anteile selbst zu zeichnen. Der Kampf um billigen Wohnraum werde so verschärft: „Wenn das umgesetzt wird, kriegen wir noch mehr Obdachlose“.