Symbol für neue Wurzeln der Muslime

■ Bremens erste „echte Moschee“in Gröpelingen ist bald fertig: Gebaut und dekoriert wird häppchenweise, je nach Spendenlage

Der Halbmond aus Messing wartet verpackt im Vorstandsraum in der Baracke der alten Fatih-Moschee. In wenigen Wochen wird das Symbol des Islam weithin sichtbar die Kuppel des Neubaus schmücken. Ende des Jahres soll Bremens erste „echte“Moschee fertig sein. In drei Wochen werden die Fertig-teile für das Minarett aus der Türkei angeliefert und zu einem 27 Meter hohen Turm zusammengesteckt.

Kein Muezzin wird jedoch die Gläubigen von dort zum Gebet rufen. „Im Islam ist das nicht empfohlen“, sagt Israfil Karagöz, als Vorsitzender des Bauausschusses, gemeindeinterner Motor des Bauvorhabens. Der Schweißer bei Hegemann schlägt sich seinen Urlaub auf der Baustelle um die Ohren.

Juristisch wäre der Ruf des Muezzins über Gröpelingens Dächer nicht zu beanstanden. Kürzlich hatte ein Rechtsgutachten festgestellt, daß Kirchenglocken und Gebetsruf gleich zu behandeln seien. „Wir wollen aber die Nachbarn nicht stören“, so Abdul-Karim Sari, Student und Sprecher der Islamischen Föderation, des Dachverbandes von 19 islamischen Organisationen. Bei der Grundsteinlegung vor zwei Jahren hatten sich Anwohner bereits über Lärm beklagt.

Die islamische Föderation will den Neubau der als eher konservativ geltenden Fatih-Gemeinde zum Zentrum für Bremens 25.000 Muslime machen. Schließlich haben sich laut Sari auch die anderen 18 Bremer Moscheen an den Kosten von 3,5 Millionen Mark beteiligt.

Die Zeit der Provisorien, die sich die erste Einwanderer-Generation in alten Lagerhallen, umgebauten Tankstellen oder – wie im Falle der Fatih-Moschee – in einer ehemaligen Großreinigung eingerichtet hatte, geht zu Ende. In Deutschlands Städten sind mehr als zwanzig „echte Moscheen“im Bau. „Das sind Symbole“, sagt Sari, „die Muslime haben hier Wurzeln geschlagen. Die Jungen planen hier ihre Zukunft.“

Dennoch gab es 1992 in der Fatih-Gemeinde große Bedenken, das Werk zu beginnen. Viele der 250 Mitglieder, zumeist Familienväter, die stellvertretend für ihre Frauen und Kinder im Gemeinde-Verein sind und den Vorstand mitwählen, scheuten das finanzielle Risiko. Doch Israfil Karagöz überzeugte die Zweifler: „In der ganzen islamischen Welt gibt es keine Moschee, die nicht zu Ende gebaut wurde.“

Im schlichten Gebetsraum in der alten Moschee-Baracke hängt neben den Plänen des Neubaus eine lange Liste. Darauf sind die Spenden der einzelnen Gemeindemitglieder akribisch vermerkt. Jeder kann sehen, daß ein einfacher Mercedes-Arbeiter schon 40.000 Mark gespendet hat. Die meisten haben mehr als 1000 Mark beigesteuert. „Wir bauen weiter, wenn wieder neue Spenden eingehen“, sagt Sari von der islamischen Föderation.

Außerdem kämen viele Baufirmen den Muslimen entgegen, machten gute Preise oder stundeten die Rechnungen. „Die Fenster haben wir an einzelne Gemeindemitglieder verkauft“, sagt Bauausschuß-Chef Karagöz. Die Namen der Spender würden auf einer Tafel in der Moschee vermerkt. Auch für den goldenen Kronleuchter, der unter der Kuppel hängen wird, hätten sich schon Mäzene gemeldet.

Die Deko-Teile für die Beethalle kommen aus der Türkei. Handgemaltes Kunstporzellan aus der alten Stadt Kütahya in Zentralanatolien haben die Gemeindevorstände aus den Katalogen der Spezialfirmen ausgesucht. 40 Mark kostet ein Quadratmeter Kacheln, mit der die Wände des Gebetsraums halbhoch ausgeschlagen werden sollen. Auch die beiden wesentlichen Elemente einer Moschee werden komplett angeboten: Der Mihrab, der die Richtung nach Mekka anzeigt und die Kanzel (Minber). Importiert werden auch die Geistlichen. Denn in Deutschland gibt es keine Ausbildung. So verhindern Sprachprobleme das, was sich Sari und viele andere für das Zentrum der Bremer Muslime wünschen: Predigten auf Türkisch, Arabisch und Deutsch. Joachim Fahrun