Nachgefragt (vgl. S. 17)
: „Dumm Herumpfeifen ändert gar nichts“

■ Interview mit einer Verkäuferin, die nicht in der Gewerkschaft ist

Laut einer taz-Umfrage in Bremer Kaufhäusern sind die VerkäuferInnen verärgert über den Gewerkschaftsstreit bei den Tarifabschlüssen im Einzelhandel (vgl. S. 17). Gewerkschaftsaustritte seien aber noch nicht erfolgt, versichern die Gewerkschaften Handel, Banken und Versicherungen (HBV) sowie die Deutsche Angestellten Gewerkschaft. Beide haben knapp über 4.000 Mitglieder bei rund 30.000 Beschäftigten im Bremer Einzelhandel. Laut DAG Bremen sind bundesweit durchschnittlich nur 20 Prozent der Einzelhandels-Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert, in der Metallbranche sind es 80 Prozent. Warum das so ist, wollten wir von einer Verkäuferin wissen, die erst gar nicht in die Gewerkschaft eingetreten ist (ihr Name bleibt anonym).

taz: Was sagen Sie dazu, was gerade bei den Tarifabschlüssen zwischen den Gewerkschaften passiert?

Verkäuferin eines Modegeschäftes: Ich finde das selbstverständlich nicht in Ordnung. Jeder andere bekommt eine ordentliche Lohnerhöhung, nur wir nicht.

Warum sind Sie nicht in der Gewerkschaft organisiert?

Das war schon immer so. Ich finde, die Gewerkschaften können meine Meinung sowieso nicht gut vertreten. Und wenn irgendetwas anliegen sollte, habe ich mich immer selbst vertreten gegenüber meinem Geschäft und bin damit an sich immer gut klargekommen. Sogar sehr gut.

Wieso organisieren sich so wenig VerkäuferInnen aus dem Einzelhandel, schließlich zählen sie ja nicht gerade zu den alimentiertesten Berufsgruppen. Im Gegenteil.

Wir haben keine starke Lobby. Jede hat das Gefühl, es wird nicht genug für sie getan. Es kommt bei den Abschlüssen nämlich immer das durch, was wir gerade nicht wollen.

Zum Beispiel sind jetzt von der DAG nur 1,5 Prozent mehr Lohn vereinbart worden sowie die Klausel, daß Betriebe unter 20 Beschäftigten – wenn sie niemanden entlassen – den tariflichen Lohn um bis zu zehn Prozent senken dürfen.

Zum Beispiel. Das liegt natürlich daran, daß die Gewerkschaften einfach nicht genug Mitglieder haben. Wenn ich mir da die IG Metall angucke, sind die doch alle wesentlich stärker organisiert und engagiert. Bei uns ist es auch nicht die ganze Firma, da ist nur ein Bruchteil organisiert.

Sind schon Kolleginnen von ihnen aus der Gewerkschaft ausgetreten?

Nein, davon weiß ich nichts.

Und wie helfen Sie sich persönlich ohne Gewerkschaft, wenn Sie zum Beispiel keinen Rechtsschutz bei arbeitsrechtlichen Fragen genießen?

Ich helfe mir, indem ich meine Meinung vertrete und an sich immer relativ tüchtig bin und somit immer das durchsetzen kann, was ich möchte.

Aber davon bekommt man doch nicht unbedingt mehr Gehalt?

Nun, ich war einige Zeit in leitender Position tätig. Bei mir war es immer so: Ich war fleißig, ordentlich und tüchtig. Jeder wird nach Leistung bezahlt und versucht, das Beste für sich herauszuschlagen.

Nicht alle sind so aufstrebend wie Sie. Was würden Sie ihren KollegInnen, die noch in der Gewerkschaft sind, jetzt raten?

Mit einem Austritt macht man die Gewerkschaften ja noch schwächer als sie ohnehin schon sind. Aber eigentlich erreichen die nichts, ob es die Regelungen zum neuen Ladenschluß waren oder alles andere. Ich finde, ob wir die haben oder nicht oder wenn meine KollegInnen zu einer Protestaktion nach Essen fahren und da dumm herumpfeifen – damit ändern sie am Ladenschlußgesetz überhaupt nichts. Das wird durchgesetzt und die Gewerkschaft konnte da gar nicht viel machen.

Fragen: Katja Ubben