"Erkennen Sie mich denn nicht?"

■ Weil der bekannte Schauspieler Martin Semmelrogge am Flughafen Tegel wie ein Unbekannter behandelt wurde, griff er tief in die Zotenkiste und muß 4.000 Mark zahlen

Schauspieler sind eitel. Sie wollen nicht nur auf dem Bildschirm, sondern auch im wahren Leben erkannt werden. Es muß klasse sein, an der Hotelrezeption den Zimmerschlüssel in die Hand gedrückt zu bekommen, ohne seinen Namen buchstabieren zu müssen, oder am Flughafen durchgewunken zu werden. Trifft solch ein Schauspieler auf Ignoranten, muß die Konfrontation mit dem normalen Leben hart sein.

Zumindest für Martin Semmelrogge, der in Krimiserien wie „Tatort“ und Derrick“ meist den Bösewicht mit reichem Zotenrepertoir spielt. Als Semmelrogge am 10. November 1995 am Flughafen Tegel ein Flugticket abholen wollte und eine Dame vom Reisebüro ihn wie einen ganz normalen Passagier behandelte, glaubte er sich in einem schlechten Film. „Erkennen Sie mich denn nicht?“ fragte der Schauspieler, der gerade von einem Dreh kam. „Nein“, entgegnete ihm die Angestellte und bestand darauf, seinen Ausweis zu sehen. Als sich auch die Büroleiterin als Nichtkennerin von Filmen wie „Das Boot“ oder „Die Straßen von Berlin“ entpuppte, muß Semmelrogge seine jahrelange Ackerei vor der Kamera als gescheitert gesehen haben. In seiner Verzweiflung fand er keine anderen Worte als „Scheiß Weiber, ihr seid wohl schlecht gefickt worden.“

Weil dieser Satz zu keinem Drehbuch gehörte, endete die Szene am Flughafen statt mit einer Klappe mit einer Ladung vor Gericht. Als der 41jährige gestern mit der einem Star gebührenden Verspätung erschien, erwartete ihn ein großes Medienaufgebot. Obwohl im Gerichtssaal keine Kameras zugelassen waren, spielte Semmelrogge. „Es tut mir leid“, entschuldigte er sich mit breitem Grinsen bei der Dame vom Reisebüro, die sich mit einem Blumenstrauß nach dem Vorfall nicht zufriedengeben wollte. „Das hat sich zugespitzt“, sagte er über ihren Kopf hinweg in Richtung Publikum. „Die Ausdrücke sind mir so rausgerutscht. Ich möchte mich in aller Form für den Fauxpas entschuldigen.“

Obwohl Semmelrogge schlecht spielte, wollte die Richterin das Verfahren einstellen. Doch der Oberamtsanwalt beantragte 4.000 Mark Geldstrafe, weil der Schauspieler schon 21mal das Leben mit einem Drehbuch verwechselt hatte und u.a. wegen Trunkenheit am Steuer, Diebstahl, Drogenmißbrauchs und Fahrerflucht vor dem Kadi stand. Nach dem Urteilsspruch endlich spielte Martin Semmelrogge Martin Semmelrogge. „Ich bin nun mal ein Zotenreißer“, sagte er irgendwie stolz in die Kameras. „Sehr teuer, das nächste Mal sage ich wahrscheinlich blöde Kuh.“ Barbara Bollwahn